Evangelischer Kirchenbau

zwischen Sakralgebäude und Mehrzweckraum

Praktisch-theologische Aspekte zur Kirchenbaudebatte in der Bundesrepublik Deutschland

 Inhaltsverzeichnis

von Dipl.-Ing. Dipl.-Theol. Gunther Seibold

Der nachfolgende Text ist im Herbst 1996 zuerst als Hausarbeit für das theologische Examen an der Universität Tübingen eingereicht worden. Die vorliegende Druckfassung bietet bis auf Fehlerkorrekturen den unveränderten Text lediglich in verändertem Drucksatz. Der theologisch-wissenschaftliche Charakter ist daher erhalten geblieben und hemmt leider an ein paar wenigen Stellen die wünschenswerte Allgemeinverständlichkeit.
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Inhalt:

Einführung
       Zum Thema dieser Arbeit
       Zur Kirchenbaudebatte und zur praktisch-theologischen Bedeutung der Kirchenbaufrage
       Zum Aufbau der Arbeit
Teil I:
PROFANITÄT CONTRA SAKRALITÄT: Die Kontroverse in der Kirchenbaudebatte bis etwa 1970
      A. Kritik am Sakralbau und Mehrzweckraumforderung
      1. Theologische Entsakralisierung (1. Argumentationslinie): Kritik an der Aussonderung von Sakralräumen aus der Welt
      2. Ethische Politisierung (2. Argumentationslinie): Die Forderung nach dem offenen Mehrzweckraum
      B. Begründung des Sakralbaus
      1. Kirchliche Symbolisierung (3. Argumentationslinie): Der Sakralbau als Ausdruck protestantischer Lehre
      2. Künstlerische Ästhetisierung (4. Argumentationslinie): Der Sakralbau als Raum religiöser Erfahrung
      Zwischenergebnis nach Teil I
Teil II:
THEOLOGIE UND EMPIRIE: Die Neuorientierung in der Kirchenbaudebatte seit etwa 1970
     A. Empirische Beiträge zum Umgang mit Gottesdiensträumen
     1. Untersuchungen von Mehrzweckräumen und neue Religiosität
     2. Soziokulturelle Orientierung (5. Argumentationslinie): Kirchenbau als gegenwartsnahe Lebensäußerung der Gemeinde
     B. Weiterentwicklungen in der neueren Kirchenbaudebatte
     1. Theologie und Anthropologie
     2. Neue Sakralraumfrage
Teil III:
ZWISCHEN PROFANITÄT UND SAKRALITÄT: Zusammenfassung und Ausblick
     A. Theologische Aktualisierung
      1. Perspektiven für einen aufgeklärten Sakralbegriff
      2. Sakralraum und Mehrzwecknutzung
     B. Schluss
      1. Aspekte aus der Kirchenbaudebatte für die Gegenwart
      2. Ausblick
Anmerkungen

Literaturverzeichnis (in extra Fenster)

EinführungSakral-KritikMehrzweckraumforderungVerteidigung des Sakralenneue Empirieneuere Kirchenbaudebatteaufgeklärter SakralbegriffSchluss

E I N F Ü H R U N G (in neuem Fenster)

In Stuttgart-Asemwald baut die evangelische Kirchengemeinde ein »richtiges Kirchlein« zum bestehenden Gemeindezentrum hinzu. Einst hatte man programmatisch daran gedacht, die kirchlichen Funktionen ganz in die dortigen Wohnblocks zu integrieren. Dann wurde aber doch 1972 ein selbständiges ökumenisches Gemeindezentrum mit Kindergarten gebaut, der Gottesdienst fand im Mehrzweckraum im ersten Stock statt. Schließlich führte der beständige Wunsch nach einem eigenen gottesdienstlichen Raum trotz finanzieller Dürrezeit zum Projekt »Kapelle im Asemwald«.

Im Frühjahr 1996 wurde in Heilbronn-Böckingen die Versöhnungs-»kirche« eingeweiht, auch sie trat zum Gemeindehaus hinzu. Und in Schorndorf hat man kürzlich den Gottesdienstraum im Paulus-Gemeindezentrum immerhin »sakralisiert« durch Auszeichnung eines Chorraumes, fixierten Altar, Buntglasfenster und Kreuz, weil der früher geplante Kirchbau nicht zu finanzieren war.

Diese drei Beispiele aus Württemberg belegen, dass - wo überhaupt - wieder »Kirchen« gebaut werden. Weitere Beispiele auch aus der Schweiz und Finnland bis hin zum monumentalen Kathedralbau im französischen Evry unterstreichen diese Tendenz, die insgesamt als »Renaissance des Sakralbaus« bezeichnet werden kann.

Dabei schien um 1970 das »Ende des Kirchenbaus« gekommen. Der Sakralbau war theologisch bestritten worden und der Mehrzweckraum als einzig vertretbare Aufgabe für den Bau evangelischer Kirchenräume bestimmt worden.

Und nun machen nicht nur die württembergischen Beispiele deutlich, dass mit dem Bau von »Kirchen« die Absichten früherer Jahre, die von den vorhandenen Gemeindezentren erfüllt wurden, korrigiert werden. Wie ist dieser Wechsel möglich? Wie stellen sich die Veränderungen im Spiegel der Kirchenbaudebatte dar?

Zum Thema dieser Arbeit

Im Titel dieser Arbeit werden zwei Gebäudetypen als Extrempositionen im Kirchenbau benannt: Das Sakralgebäude markiert zur einen Seite hin den eigenen, von der Umwelt abgegrenzten und herausgehobenen Solitär, der unvermischt ausschließlich gottesdienstlicher Nutzung vorbehalten bleibt. Das andere Extrem bildet der Mehrzweckraum, der ununterschieden und gleichberechtigt in einen sozialen Baukomplex eingebunden wird und der unter anderem gottesdienstliche Nutzungen erfährt.

Die mit den Polen »Sakralgebäude« und »Mehrzweckraum« bezeichnete Spannung bezieht diese Arbeit auf die Grundlegung evangelischen Kirchenbaus. Die "Frage nach dem sakralen oder profanen Raum des evangelischen Gottesdienstes" bildet ein "Grunddilemma christlichen Kirchenbaues überhaupt" (1).

Man hat vorgeschlagen, in der Kirchenbaudiskussion ganz auf den Begriff des »Sakralen« zu verzichten, da er so sehr unterschiedlich verstanden werde, dass eine babylonische Sprachverwirrung eingetreten sei (2). Andererseits hat er sich allen solchen Versuchen gegenüber als resistent erwiesen, und das zeigt, dass an einer Verständlichkeit des Begriffs jeweils nicht gezweifelt wird. Dem schließt sich diese Arbeit vorläufig an. Am Ende des Durchgangs soll dann eine Begriffsbestimmung für die gegenwärtige Diskussion unternommen werden.

Die Frage nach dem Wesen des evangelischen Gottesdienstraumes ist die »theologischste« Frage zum Kirchenbau. Dies legt die hier zu Grunde gelegte Begrenzung auf die theologische Debatte nahe; außerdem auf protestantische Theologie, weil die verschiedene konfessionelle Basis bei diesem Gegenstand zu unterschiedlichen Debatten führen muß. Schließlich will die Arbeit hauptsächlich von Überlegungen im Blick auf Neubauten ausgehen, weil dabei die hier verhandelte Grundfrage unabhängig bleibt von Notwendigkeiten aus dem Vorhandensein bestehender Räume. Die heute brennenden Fragen nach dem Umgang mit alten Kirchenräumen (Citykirchen-Mischnutzung, Einbauten, Profanisierung) bedürfen gerade an fundamentalen Punkten auch eines Bewußtseins gegenwärtigen Wollens, das nicht von Zwängen aus überkommener Bausubstanz diktiert wird.

Zur Kirchenbaudebatte und zur praktisch-theologischen Bedeutung der Kirchenbaufrage

Die theologische Reflexion des Kirchenbaus hat ihren klassischen Ort im Rahmen der Liturgik und damit in der Praktischen Theologie. Andererseits ist der Kirchenbau aber seiner Natur nach ein interdisziplinäres Geschäft unter unmittelbarer Beteiligung der Architektur, verbunden u.a. mit Kunstgeschichte und Sozialwissenschaften. Vielleicht ist der durch die Interdisziplinarität bewirkte Eindruck einer Randstellung dafür verantwortlich, daß sich nur wenige Theologen in der Kirchenbaufrage engagieren, die Behandlung der Kirchenbaufrage hat man in theologischen Nachschlagewerken öfter Architekten überlassen (3).

Die meisten Beiträge zur Debatte stammen aus dem Kontext des Kirchenbautages, den seit 1953 Oskar Söhngen und dann seit 1972 RainerVolp als Vorsitzende geprägt haben (4). Dazu kommen Veröffentlichungen des »EKD-Instituts für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart« in Marburg, das u.a. von den Direktoren Hans-Eckehard Bahr, HansGraß, RainerVolp und HorstSchwebel vertreten wurde, unter zeitweiliger Mitarbeit von Karl-Wilhelm Dahm, PeterPoscharsky u.a. Regelmäßig zu Wort gemeldet haben sich auch eine Reihe von Architekten, von denen OttoBartning, GerhardLangmaack, OttoSenn und Lothar Kallmeyer zu nennen sind, ferner die im ökumenisch offen geführten Gespräch mitbeteiligten katholischen Theologen, u.a. Günter Rombold, ClemensRichter und HerbertMuck. Für sie alle bildet die Zeitschrift »Kunst und Kirche« ein ökumenisches publizistisches Forum, ergänzt durch die katholische Zeitschrift »das münster«. Aus der wissenschaftlichen Theologie gibt es sonst meist nur gelegentliche Äußerungen zum Kirchenbau, die kaum Bezug nehmen auf die Beiträge des Kirchenbautages oder auf »Kunst und Kirche«.

Insgesamt scheint die Kirchenbaudebatte ein relativ geschlossenes Forum darzustellen. Die Beiträge dort verweisen fast gar nicht auf die gegenwärtige exegetische, dogmatische oder praktisch-theologische Forschung. Beim Kirchenbautag steht offenbar das Gespräch mit der Architektur im Vordergrund, die auch die meisten Teilnehmer stellt. Neuerdings treten vermehrt Soziologie und Kunst hinzu.

Die Kirchenbaudebatte wird schließlich formal davon geprägt, daß es sich bei den Beiträgen zum Kirchenbau vor allem um Vorträge, kürzere Artikel und Gelegenheitsäußerungen handelt. Größere systematische Grundlegungen fehlen, und außer den bau- und kunstgeschichtlichen Darstellungen gibt es auch kaum Monographien. Eine Ausnahme bilden hier die Arbeiten von Christof M. Werner zur Sakralität.

Die Bedeutung des Kirchenbauproblems für die Praktische Theologie findet insgesamt wenig Beachtung. Kirchenbau kann theologisch nicht isoliert debattiert werden (5). Daß im Kirchenbau die Grundfrage praktischer Theologie nach der Vermittlung von Theorie und Praxis in äußerst anschaulicher Weise gestellt wird, läßt die Kirchenbaufrage durchaus zu einem exemplarischen praktisch-theologischen Problemfeld werden:

- Sie ist eine der äußersten Konkretionen des Theorie-Praxis-Problems, da sich kaum eine Lebensäußerung von Kirche so handgreiflich, öffentlich und dauerhaft manifestiert.

- Sie bezieht sich (einerseits) auf exegetische, systematische (Gotteslehre, Hermeneutik) und historische Theorie.

- Sie ist (andererseits) Gegenstand menschlicher Erfahrung und Praxis (zu der jedermann unmittelbaren Zugang hat).

- Sie ist durch die geschichtlichen Monumente historisch dimensioniert und ihr Vollzug immer Umgang mit Geschichte.

- Sie ist nach Umfang und Art nicht Problem eines Einzelnen, sondern der Gemeinschaft und ihre Verantwortung daher eine Aufgabe der Kirchenleitung.

- Sie folgt als Theorie der Praxis (6), was sich daran zeigt, daß Innovationen stets v.a. Sache der Architekten waren.

- Sie bezieht sich auf zentrale Lebensäußerungen der Kirche und des Glaubens (Gemeindegottesdienst und persönliche Andacht).

- Sie stellt sich als Kirchenbauarchitektur unmittelbar dem Vergleich mit anderen baulichen soziokulturellen Äußerungen.

- Sie ist notwendig interdisziplinär (Theologie, Architektur, Soziologie, Psychologie, u.a.).

- Sie hat - wie die gebauten Beispiele zeigen - noch nie eine allgemeingültige, aber stets - weil auf den Einzelfall bezogen - eine entschiedene Lösung gefunden.
 

Zum Aufbau der Arbeit
 

Die Arbeit steht vor der Schwierigkeit, daß systematische Grundlegungen für die verschiedenen Positionen in der Kirchenbaudebatte fehlen. So können zumeist nur die einzelnen Bausteine aus einer größeren Zahl von Beiträgen in einer eigenen Systematik zusammentragen werden. Die hier vorgelegte Analyse der Kirchenbaudebatte bezieht die unterschiedlichen Positionen in der Kirchenbaudebatte zum Sakralen und Profanen auf fünf Grundströmungen (»Argumentationslinien«), die möglichst unter Bevorzugung einzelner Hauptvertreter von ihrem Sitz in der modernen Kirchenbaudebatte aus entwickelt werden sollen. Dabei soll auch - wofür in der Debatte selbst oft das Bewußtsein fehlt - ihr jeweiliger historischer Ort in der Theologiegeschichte bezeichnet werden.

Die hier darzustellende Kirchenbaudebatte in der Bundesrepublik Deutschland, die frühere Diskussionen fortsetzte, hatte ihre Zäsur in der Forderung nach einem »Ende des Kirchenbaus« um 1970. Auf die dadurch bestimmte Zweiteilung bezieht sich die hier verwendete Bezeichnung als »ältere« bzw. »jüngere« Debatte.

In Teil I wird die Kontroverse der älteren Kirchenbaudebatte dargestellt, zuerst (A) die Kirchenbaukritik mit ihrer klaren Stoßrichtung, danach (B) die Argumentation für den Sakralbau in diesen Jahren. Auf beiden Seiten werden dabei je zwei Argumentationslinien (1/2 und 3/4) unterschieden. Teil II wird (A) den Neuansatz der jüngeren Kirchenbaudebatte skizzieren und dabei eine zusätzliche Argumentationslinie (5) markieren. Dann werden (B) jüngere theologische Neuinterpretationen und die dabei erkennbare Modifikation der traditionellen Argumentationslinien zur Sprache kommen. Teil III wird versuchen, die gestellte Aufgabe auf dem Hintergrund der gesamten Debatte, und damit unter Würdigung der positiven Anliegen aller Argumentationslinien einer - soviel sei schon angedeutet - offenen Lösung zuzuführen.

EinführungSakral-KritikMehrzweckraumforderungVerteidigung des Sakralenneue Empirieneuere Kirchenbaudebatteaufgeklärter SakralbegriffSchluss
 

T E I L   I :

PROFANITÄT CONTRA SAKRALITÄT

Die Kontroverse in der Kirchenbaudebatte bis etwa 1970

Die Darmstädter Kirchenbautagung 1969 erfuhr begleitenden Protest durch eine »Antibau-Ausstellung« (7) von (Theologie-)Studierenden, die das »Ende des Kirchenbaus« forderten (8). Tatsächlich nahm das Plenum der Tagung am Ende die Resolution einer autonomen Arbeitsgruppe der »evang. Jugend Darmstadts« an, nach der "[d]er schlichte Versammlungsraum [...] den Kirchengemeinden als sachgemäß für Neubauten vorgeschlagen werden" (9) sollte. Der »Kirchen«-bau war in einer Krise. Architekt Kallmeyer, der selbst 1966 in einem Referat den Vorschlag des Mehrzweckraums unter Vorbehalten dem Kirchenbautag vorgestellt hatte (10), konnte - wenn er dann auch versuchte, dieses Ergebnis zu relativieren und offenzuhalten - nur konstatieren: "Der Mehrzweckraum hat sich durchgesetzt" (11).

Für dieses Ergebnis sorgte nicht nur, daß man in jener bewegten Zeit um des eigenen progressiven Selbstverständnisses willen der Jugend nicht widersprechen wollte, sondern auch, daß man theologisch keine Handhabe gegen die aufgestellten Forderungen hatte. Das theologische Stichwort war die »Entsakralisierung«, die den Kirchenbau bei der - erst jetzt erfolgten - "Begegnung des evangelischen Kirchenbaus mit der Gegenwartstheologie" (12) traf. Wirkungsvolle Beiträge zu diesem theologischen Einspruch gegen den Kirchenbau bildeten eine Tagung in Bad Boll 1965 (Schweizer, Simpfendörfer, u.a.) und der von Hans-Eckehard Bahr 1968 herausgegebene Band »Kirchen in nachsakraler Zeit« (Cox, Förderer, u.a.).
 

A. Kritik am Sakralbau und Mehrzweckraumforderung
 

Um die Durchschlagskraft der Sakralitätskritik verständlich zu machen, muß zunächst (1) die theologische Argumentationslinie kritischer protestantischer Tradition vorgestellt werden. Sie wurde in der Debatte (2) auf ethisch-politischer Argumentationslinie mit der Forderung nach einem Ende des Kirchenbaus zugunsten des Mehrzweckraumes zu Ende gedacht.

1. Theologische Entsakralisierung (1. Argumentationslinie)

Kritik an der Aussonderung von Sakralräumen aus der Welt

Die Kritik am Sakralbau bezieht sich auf eine von der Bibel über die Reformation in die Gegenwart reichende Traditionslinie, der die folgende Darstellung im Spiegel der älteren Kirchenbaudebatte nachgeht.

Harvey Cox bestimmte den Ausgangspunkt der Desakralisierung in der Bibel: "Die jüdisch-christliche Tradition hat den sakralen Raum aufs schärfste in Frage gestellt" (13). Protestantische Exegeten betonten immer wieder, daß Israels Erfahrung wegführte von einer Bindung Gottes an welthafte Phänomene (14). Die manifest vorgestellte Einwohnung JHWHs im Tempel wird beispielsweise transzendentierend korrigiert durch die deuteronomistische Theologie (Bearbeitung von 1Kö.8) (15). Heiligtum und Tempel wurden in der prophetischen Tempelkritik von Gott der Vernichtung überlassen (Mi.3,12 u.a.) (16). Die Möglichkeit eines Gotteshauses wird zuletzt grundsätzlich bestritten: (Jes.66,1) (17).

Für das Neue Testament wird die Kritik an Orten, die für Gottes Gegenwart ausgesondert werden, noch stärker gesehen. Beiträge zum Kirchenbaufrage verweisen auf viele Stellen (18), vor allem auch auf die Personalisierung der Gegenwart Gottes in Christus und in der Gemeinde: (1Kor.3,16) (19). Auf der Kirchenbau-Akademietagung in Bad Boll legte der Neutestamentler Eduard Schweizer dar, daß der Gottesdienst mit dem Alltag fest verbunden sei (Rö.12,1f; 2Pt.2,8ff). Auch zur Raumfrage gelte: "Nichts ist im Neuen Testament heilig im Gegensatz zu einem profanen Bezirk" (20). Der Gottesdienstraum solle, so eine seiner Folgerungen, "nicht grundsätzlich [...] verschieden" (21) von Wohnräumen der Familie sein.

Im Blick auf die frühe Christenheit wird darauf hingewiesen, daß man sich zunächst nur in Privaträumen versammelte und von sich sagen konnte: "delubra et aras non habemus" (22). Mit der Basilika sei eine "religiös nicht prädisponierte Architekturform" (23) verwendet worden zur Vermeidung des Tempeltypus mit seiner Konzeption von fanum und profanum.

Protestantische Äußerungen zur Sakralität des Kirchengebäudes nehmen regelmäßig auf MartinLuther Bezug. Er begründete die Möglichkeit eines Verzichtes auf Kirchengebäude damit, daß Gott unabhängig von Gebäuden wohne, wo sein Wort sei (24). Luther sagte: "alle stette [= Stätten] sind frei" (25), in der Not "möcht man wol draussen beim Brunnen oder anders wo predigen" (26). Wo kein Gottesdienst mehr stattfinde, "sollt man dieselben kirchen abbrechen, wie man allen andernn hewßern thutt" (27). TraugottKoch resümiert: "Der Kirchenbau und die Kunst in der Kirche werden ent-sakralisiert" (28). Dabei war die Notwendigkeit ordentlicher Versammlungsstätten für die Reformation klar. Man übernahm auch ohne Vorbehalte bestehende Kirchen, ja, man konnte, so Koch, damit sogar strategisch "deutlich [...] machen, daß auf diesem Gebiet der Äußerungsformen das Reformatorische [...] gerade nicht liegt" (29).

Auch das Reformiertentum, beispielsweise JohannesCalvin, bejahte den Kirchenbau, aber nicht ohne nicht hinzuzufügen: "ne aut [...] propria esse Dei habitacula ducamus [...] aut secretam nescio quam illis affingamus sanctitatem" (30).

Nach Hans-Eckehard Bahr ist "die Zweiteilung der Welt in eine sakrale und profane Sphäre endgültig aufgehoben" (31). Bahr steht damit in der Tradition der dialektischen Theologie mit ihrer Betonung der Offenbarung im Wort, verbunden mit Kritik an aller natürlichen Religion (Barth) und Mythologie (Bultmann). Mit Bonhoeffer ("weltliche Interpretation" (32)) und Gogarten war die Säkularisation inzwischen positiv als notwendige Konsequenz protestantischen Denkens begriffen worden. KurtMarti konnte folgern: "Jesus Christus ist das prinzipielle, das heißt theologische Ende jedes Sakralraums und jeder Möglichkeit dazu" (33).
 

Mit dieser explizit theologisch argumentierenden Position (Argumentationslinie 1) wird jede sakralisierende Bedeutungszuweisung an einen Raum abgewiesen. Die Gefahr einer Sakralisierung erfordert in dieser Sichtweise deren ständige Kritik.

EinführungSakral-KritikMehrzweckraumforderungVerteidigung des Sakralenneue Empirieneuere Kirchenbaudebatteaufgeklärter SakralbegriffSchluss
 

2. Ethische Politisierung (2. Argumentationslinie)

Die Forderung nach dem offenen Mehrzweckraum
 

Die Mehrzweckraumforderung nimmt die theologische Entsakralisierung zum Ausgangspunkt für politisch-ethische Erwägungen. Ihre Durchschlagskraft liegt in einer einfachen Rechung: Ist der Sakralraumbau theologisch nicht zu begründen, so ist jede Mark dafür wertlos und kann für das Handeln der Kirche an anderer Stelle sinnvoller verwendet werden. Daher werden die positiven Argumente für den Mehrzweckraum schlagend, die auf eine Demokratisierung der Gesellschaft zielen (34).
 

Die Betonung des reinen Wortes in der dialektischen Theologie schien einen Verzicht auf alle sinnlichen Äußerlichkeiten notwendig zu machen. Sakralräume, so glaubte man, erzeugten nur Bindungen des alten Adam (35), die es abzulegen gelte um »Kirche für andere« und so dienende Kirche zu sein. Im Blick auf konkrete Not im weltweiten Horizont wurde dann beispielhaft aufgezeigt, wie viel Geld ein Projekt kosten sollte und welcher Betrag das doch für die Katastrophenhilfe sei (36). Der Theologe Helmut Gollwitzer beantragte auf einer Kirchensynode 1968 einen "zweijährigen Baustopp für alle kirchlichen Bauten und die Verwendung der eingesparten Gelder für gezielte Projekte im Rahmen der kirchlichen Entwicklungshilfe" (37). Theologisch gesehen war auch für mittlere Positionen klar, daß "der Dienst an Jesu geringsten Brüdern dem Bau von Räumen, in denen sich die Gemeinde dazu sammeln und senden läßt, vorgeordnet" bleibe (38).

Die ökonomischen Analysen der Nutzungsprofile kirchlicher Gebäude ergaben immer wieder, daß der große Kirchenraum und große Säle nicht gleichzeitig, sondern höchstens abwechselnd genutzt wurden und darüber hinaus oft leerstanden. Ein Mehrzweckraum für allerlei Veranstaltungen wurde für viel billiger gehalten (39) und zur logischen Konsequenz. Die Resolution des Kirchenbautages 1969 ergänzte ihre Mehrzweckraumforderung noch durch den Wunsch, Kirchtürme, Uhren, Glocken und Orgeln künftig nicht mehr zu finanzieren (40).
 

Die Kirchenbaudebatte der 60er Jahre war ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Verhältnisse jener Zeit. Dazu sorgte die Kirchenbauarchitektur mit neoexpressionistischem Brutalismus (41) für Anstoß (42). Funktionalistische Gegenbewegungen in der Architektur regten den Mehrzweckraum ebenso an wie damalige Forschungen über die auch profane Vielzwecknutzung mittelalterlichen Kathedralen (43).

Für Werner Simpfendörfer war eine grundsätzliche "Offenheit und Flexibilität des gottesdienstlichen Lebens" (44) an der Zeit, dem entsprach seine "Forderung nach dem Provisorium" (45). Der Architekt Walter Förderer wiederum ging aus vom Problem einer durch konfessionelle Schranken aufgebauten "Schwellenangst" (46) und forderte einen völlig neuen Gottesdienst mit "Möglichkeiten echter, welthafter Konfrontation" (47). Er stellte die Frage, warum die Kirche nicht an einem Schulzentrum "partizipieren" sollte, dessen Aula und Räume sonntags "für den Gottesdienst frei" (48) seien. Immer wieder diskutiert wurden die durch Hans Blankesteijn eingebrachten holländischen Beispiele einer "Agora" (49), bei der die Kirche mit ihren Treffen an einem öffentlichen Forum teilhat, das von wechselnder Nutzung und ständigem Kommen und Gehen geprägt ist (50).
 

Die Kritik an baulichen Aufwendungen für Sakralbauten war nicht neu. Theologische Aufbrüche begehrten immer wieder gegen Überfülle und Machtdemonstration auf. Die mittelalterlichen Bettelorden führten einen radikalen "Kampf [...] gegen jeden Aufwand", der "die Aufmerksamkeit von der Betrachtung Gottes ablenken könnte (51). Die Kritik Martin Luthers an der römischen Kirche begann in den Ablaßthesen mit der Kritik am Aufwand für den Bau des Petersdomes (52). Erst wenn der letzte Arme wirklich Versorgung gefunden habe, dürfe man an Kirchenbauen denken (53). Auch im Pietismus setzte man sich vom Sakralbau ab durch einen Saalbau, dessen - beispielsweise in Herrnhut - "schlichte Schönheit" (54) auch mit Entsakralisierung einherging, wie der Verzicht auf einen Altar zeigt (55). Die beginnende kirchliche Sozialarbeit führte auch zum Bedarf an zusätzlichen Gemeinderäumen und damit seit dem 19. Jh. zur Entstehung des »Gemeindezentrums« und zu einer Bewegung, die sich ebenfalls gegen den monumentalen Sakralbau wandte (56).
 

Obwohl die ethisch-politische Argumentationslinie sich nicht direkt auf das Wesen des gottesdienstlichen Raumes bezieht, beeinflußt sie die Praxis doch erheblich, da auf Gemeinderäume heute nicht mehr verzichtet werden kann und daher ein dem Gottesdienst vorbehaltener Sakralbau immer mit zusätzlichen Kosten verbunden ist.

EinführungSakral-KritikMehrzweckraumforderungVerteidigung des Sakralenneue Empirieneuere Kirchenbaudebatteaufgeklärter SakralbegriffSchluss
 

B. Die Begründung des Sakralbaus

Der Kritik am Sakralbau lagen häufig Gegenbilder zugrunde, von denen sich die Vertreter des Sakralen im evangelischen Kirchenbau ihrerseits abgegrenzt haben. Daher ist für die Darstellung der Debatte zunächst ein kurzer Hinweis auf drei, auch vermischt begegnende Gegenbilder unerläßlich. Dann sollen in diesem Abschnitt, ausgehend von einem repräsentativen Beitrag Oskar Söhngens, zwei Argumentationslinien zur Begründung des Sakralbaus nachgezeichnet werden, die für den Sakralbau (1) als symbolischen Ausdruck protestantischer Lehre und (2) als Raum religiöser Erfahrung überhaupt votieren.

aa) Sakraler Raum als von der Welt getrennter Fluchtort

In der Kritik durch Hans-EckehardBahr ist die »sakrale Zeit« (57) dadurch charakterisiert, daß sakrale Bereiche von der Welt getrennt werden. Dies werde dann verstärkt dadurch, daß das Nichtsakrale mit dem Finsteren verschmelze [12]. "[A]uf der Höhe mittelalterlicher Sakralität" [13] erscheine die Welt schroff dualistisch. Die Glaubenden müßten "ins kirchlich Sakrale zurückfliehen" [13]. Bahr warf sogar den Kirchen vor, weiterhin inhaltlich "Kirchen als Räume zu bauen, die substantiell, kraft ihrer immanenten »Sakralität« aus dem Profanen ausgegrenzt werden" [10].

bb) Sakraler Raum als sakramental bestimmter Raum (röm.-kath. Kirchenraumverständnis)

Bahr bezieht die dualistische Sakralität des Mittelalters weiter auf die katholische Tradition: Dort habe man schließlich mit dem Transsubstantiationsdogma "das Letzte nun unter den räumlichen Bedingungen des Vorletzten" definiert und es durch die »Daueraussetzung [im Tabernakel] direkt mit der kirchlichen Sakralsphäre" [14] identifiziert. Heute äußert sich das katholische Verständnis uneinheitlich: Selten geworden sind Positionen wie bei Klaus Gamber, der empfiehlt, sich zur Messe "in die das Mysterium schützenden Wände unserer Gotteshäuser" zu begeben: "Die Heiligkeit des Ortes bewirkt dann auch die rechte Haltung dem Heiligen gegenüber" (58). Dagegen hatte der in der Kirchenbaudebatte engagierte Katholik Günter Rombold schon 1969 festgehalten: "Es ist für uns unmöglich geworden, von einer 'heiligen Zeit' und einem 'heiligen Raum' zu sprechen, vor allem aber, sie als solche zu erfahren" (59). Jedoch: Auch die auf der Basis des 2. Vaticanums erstellten »Leitlinien« (60) der dt. Bischofskonferenz von 1988 lehnen zwar für das Verständnis von »Sakralisierung« jede Absonderung oder Fixierung auf eine bestimmte Gestalt ab [10], bestimmen aber: "Ein guter Kirchenraum ist ein 'sakraler Raum', d.h. er kann [...] zur Ehrfurcht einladen" [10]. Höhepunkt der Gegenwart des Angebeteten "und zugleich tiefste Begründung der Sakralität des Kirchenraumes ist die Eucharistie, in der Christus [...] wesenhaft und dauernd zugegen ist" [11]. Dieses Verständnis wird durch die konsekrierende (61) Kirchweih ausgedrückt, die den Kirchenraum "vollständig und für immer dem christlichen Gottesdienst" [26] widmen soll und Mehrzwecknutzungen problematisiert [15]. So besteht trotz vieler Gemeinsamkeiten in Kirchenbaufragen beim Verständnis des Raumes eine so erhebliche "konfessionelle Differenz" (62), daß auch nach dem 2. Vaticanum in dieser Hinsicht Gemeinsamkeit problematisch geblieben ist (63).

cc) Sakraler Raum als formal-ästhetisch regulierter Raum (historistischer Sakralismus)

Beiträge zur modernen Kirchenbaudebatte grenzen sich stets vom »Eisenacher Regulativ« von 1861 ab. Anstoß erregte neben der als katholisierend interpretierten (64) Fixierung der Sakramententheologie (theologische Betonung des Altars und Chorraumes) (65) vor allem Satz 3: "Die Würde des christlichen Kirchenbaues fordert Anschluss an einen der geschichtlich entwickelten christlichenBaustyle [...,] vorzugsweise den sogenannten germanischen (gothischen) Styl" (66). Obwohl seine konkrete Anwendung nie ganz verbindlich und durchschlagend war, wirkte das Regulativ als "kirchenrechtliches Phantom"(67) in der Debatte kräftig weiter; vor allem seine hartnäckige Bewahrung in veränderten Zeiten durch die kirchliche Aristokratie ließ es zum Muster eines sakralistischen Baudogmatismus werden. Bis in die Gegenwart hat sich - was Christof M. Werner als "Image" diagnostizierte (68) - ein bestimmtes ästhetisches Bild von »Kirche« tief im Bewußtsein des christlichen Abendlandes eingeprägt, das durch das Eisenacher Ideal bewahrt worden und bis heute wirksam geblieben ist.

Der 1961 auf dem Kirchenbautag gehaltene Vortrag von Oskar Söhngen »Der Begriff des Sakralen im Kirchenbau« (69) zeigt beispielhaft, wie das Sakrale in Abgrenzung von Sakralismus zu begründen versucht wurde.

Auch Söhngen weiß um die Notwendigkeit für protestantische Theologie, zuerst darauf hinzuweisen, "daß der Begriff des Sakralbaus auf dem Boden evangelischen Glaubens wurzelhaft problematisch ist und bleibt" [183]; und er bezieht sich dabei auf Luther. Söhngen will gegen die entsakralierende Theologie nicht theoretisch argumentieren, denn "viel durchschlagender ist die Konfrontation dieser rational-abstrakten und theologisch-einlinigen Deduktionen mit dem unmittelbaren Sitz im Leben [...]. Mit der unbezweifelbaren These, daß der evangelische Glaube keine dinglich-heiligen Stätten anzuerkennen vermag, ist das Problem [...] überhaupt noch nicht gesichtet" [185]. Söhngen verweist daher auf Erfahrungen: auf Otto Bartnings religiöses Erlebnis mit dem Kirchenraum, das diesen zur Abkehr von der reinen Sachlichkeit bewegt hatte [184], auf einen weltlichen Künstler, der nach dem "undefinierbaren »Mehr«" [185f.] fragt und auf Rudolf Ottos religionsphänomenologische Analyse des Numinosen [191].

Über eine abgrenzende Bemerkung zu "kultischen Religionen" (einschließlich des Katholizismus), bei denen das Heilige "in einem abgeschlossenen »sakralen« Bezirk" [186] verehrt werde, gelangt Söhngen zu seinem Verständnis vom "einheitlichen Sakralraum". Von diesem könne erst die Rede sein, wo die Gemeinde selbst als Ort der "gnadenhafte[n] Epiphanie Gottes" verstanden werde [188]. Auf "so etwas wie eine Realgrundlage des Sakralen" verweise die Verheißung der Gegenwart Jesu (Mt.18,20) [189]. So ist "mit der Frage nach dem Sakralraum [...] genau nach dem »Mehr« gefragt, das die Gemeinde über sich selbst hinaushebt" und entsprechend "den gottesdienstlichen Raum über den Charakter eines bloßen Gemeindesaales" [188]. Kirchenräume sollen "sakrale Würde" [196], "»Einfalt« des Einfachen" [198] u.ä. besitzen. Immer wieder liegt das Augenmerk nicht auf der Einzelform des Raumes, sondern auf den "Raumspannungen" [190]. Methodisch geht Söhngen so vor, daß er Konkretionen (wie zB. die Lichtführung [200f.]) auf der Erfahrungsebene verhandelt, dafür aber theologische Begründungen und Bibelzitate vorausschickt. Daß Gott "sich im Gottesdienst inmitten seiner Gemeinde" offenbart, und daß damit für "evangelische Sakralität" die Beteiligung der Gemeinde konstitutiv sei, dient zur Begründung ihrer dauernden zeichenhaften Anwesenheit im Sakralraum durch ein Gestühl [204].

Söhngens Argumentation bezieht sich so immer wieder auf zwei Argumentationslinien, die (1) auf den symbolischen Ausdruck theologischer Lehre und (2) auf die ästhetische religiöse Erfahrung zielen und die nun nachgezeichnet werden sollen.
 

1. Kirchliche Symbolisierung (3. Argumentationslinie)

Der Sakralbau als Ausdruck protestantischer Lehre

Der christliche Kirchenbau hat sich immer wieder auf das von Gott in Auftrag gegebene alttestamentliche Heiligtum bezogen (70). Speziell dessen dreigestufte Heiligkeit war so vertraut, daß auch Martin Luther einen Sermon anhand dieser typologischen Linie von der dreigeteilten Stiftshütte über den entsprechenden Kirchenbau des Mittelalters gliederte (Hof - Schiff - Chor) (71).

In der Kirchenbaugeschichte wurde immer wieder versucht, dem Verständnis des Gottesdienstes durch eine sinnfällige Anordnung der Prinzipalstücke Ausdruck zu verleihen. In Unterscheidung vom Katholizismus wird besonders in der reformierten Kirche die Kanzel zum "Zielpunkt des Raumes" (72). Wechselnde theologische Strömungen sorgten immer wieder für Veränderungen, so daß dann auch wieder Altar und Kanzel gleichberechtigt sein sollten oder gar wie im Neuluthertum des 19. Jahrhunderts der Altar erneut den Vorzug erhielt (Eisenacher Regulativ) (73). Die liberale Theologie setzte ein Programm dagegen, bei dem die Kanzel wieder als mindestens "dem Altar gleichwerthig zu behandeln" in die Mitte rückte und die Orgel - als Krönung - mit ihr "organisch verbunden werden" (74) sollte (Wiesbadener Programm 1891).

Obwohl seit der Aufklärung von magischer, von Schranken bestimmter und an der Gegenwart Gottes selbst orientierter Sakralität Abstand gewonnen war, suchte man einer höheren Wirklichkeit, einem theologischen »Mehr«, Ausdruck zu geben. Das Problem dieser Vermittlung wurde zwar gesehen: Zwischen "dogmatischer Sache und konkreter Raumgestalt müßte ein anschauliches Zwischenstück stehen" (75). Doch für eine ganze Generation (76) leistete dies die von CorneliusGurlitt um die Jahrhundertwende geprägte, ursprünglich funktional gedachte Formel von der »Liturgie als Bauherr« (77). Die Neuaufnahme der Debatte in der Nachkriegszeit dachte noch ganz von einer vorgegebenen Gottesdienstgestalt her. Ihr Thema war der entsprechende "Kultraum" (78). Dabei bezog sich auch Söhngen noch auf die Lehre von der Realpräsenz Christi im Sakrament (79).

In den sog. »Rummelsberger Grundsätzen« (80) von 1951, zu deren Vätern Söhngen gehörte, sah man zwar auf dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem Eisenacher Regulativ die Gefahr von Normierungen überhaupt, glaubte aber "über das Wesen des Gottesdienstes heute" so großen Konsens zu haben, daß "von der Grundlage des Gottesdienstes aus" "im Prinzip auch die Festlegung von Grundsätzen für den Kirchbau möglich geworden" [286] sei. Die programmatische Wendung lautete, daß der Kirchenraum dem Gottesdienst "gleichnishaft Gestalt geben" solle [286]. Dies gehe "über jede rationale Zweckbestimmung hinaus", und so solle sich der Kirchenraum "um seines Zweckes willen klar unterscheiden von Bauten und Räumen, die profanen Zwecken dienen" [286]. "Die Verwendung eines Gemeindesaales als Kirchenraum kann nur als vorübergehende Notmaßnahme gebilligt werden" [287].

Diese (dritte) Argumentationslinie thematisiert das Interesse, aus kirchlicher Glaubenswahrheit abgeleitete theologische Grundsätze in eine Raumgestalt umzusetzen. Man ist sich dabei der symbolischen Vermittlung in solcher "Predigt des Raumes" (81) bewußt, aber es soll doch die unverfügbar gedachte Sache selbst sichtbar gemacht werden.
 

2. Künstlerische Ästhetisierung (4. Argumentationslinie)

Die Begründung des Sakralbaues aus religiöser Erfahrung

Das für das Verständnis von religiöser Erfahrung grundlegende theologische Fundament hat Friedrich D. E. Schleiermacher gelegt durch seine Bestimmung der Religion als von Tun und Wissen unabhängiges Gefühl, das aus dem Anschauen des Universums entfacht wird (82). Seit 1917 setzte dann Rudolf Otto, sich auf Schleiermacher beziehend, mit seiner Untersuchung »Das Heilige« (83) eine ausgedehnte religionswissenschaftliche Beschäftigung mit der Phänomenologie des »Numinosen« in Gang. MirceaEliade stellte fest, "daß es eine wirklich vollkommen profane Existenz nicht gibt" (84). Besonders der Raumerfahrung kommt nach religionswissenschaftlicher Beobachtung religiöse Bedeutung zu: Dem Haus eigne eine "besondere Heiligkeit" (85); heilige Orte zu schaffen sei stets eine Grundbedürfnissen menschlicher Gemeinschaften entsprechende Aufgabe gewesen (86).

Das bei Söhngen berichtete Erlebnis OttoBartnings erzählt davon, wie der sakrale Kirchenbau von religiösen Erfahrungen inspiriert wurde. In der Moderne seit etwa 1920 begann man neu, im Kirchenraum ein sinnliches »Mehr« zu suchen, ähnlich wie schon einmal beim Aufbruch zum Anfang des 19. Jh. die Erwartung frommer »Gestimmtheit« für den Kirchenbau in Anschlag gebracht worden war (87). Ein neuer Raumbegriff konnte im Extrem sogar zu religiöser Hypostasierung führen, wo der Bau als "Transsubstantiation von Stahl und Glas [...] in das Zeugnis des Göttlichen" (88) bezeichnet wurde.

Das religiöse »Mehr« hat man stets in der Kunst gesucht. Für die frühen Religionen gehören Kult und Kultur eng zusammen. Die Kunst des Abendlandes ist wesentlich christliche Kunst gewesen, die Baukunstgeschichte war bis ins 18.Jh. hinein wesentlich Sakralbaugeschichte. Kunst ist als Sprache des Religiösen aufgefaßt worden. PaulTillich berichtete davon, von einem Kunsterleben angestoßen worden zu sein (89): Er erfuhr demnach "Inspiration" [345] durch Kunst und gelangte zum Schluß, daß alle Kunst religiös sei, "sofern in ihr die Erfahrung letzten Sinnes und Seins zum Ausdruck kommt" [346] (90). Tillich nennt ein Beispiel für religiöse Wirkung von künstlerischer Ausstattung: "Aus technischen Gründen brauchen Kirchenfenster nicht farbig zu sein. Aber der numinose Charakter einer Kirche kann durch farbige Fenster erhöht werden" (91).
 

Wesentlich ist für diese (vierte) Argumentationslinie das Interesse, den Kirchenraum als Raum der Erfahrung religiöser Gefühle auszuzeichnen und entsprechend künstlerisch zu gestalten. Der Kirchenbau soll in das Erlebnis religiöser Begegnung mit dem Erhabenen führen. Die ältere Kirchenbaudebatte versuchte dabei, Charakteristika dieser Erfahrung aus der theologischen Lehre abzuleiten und sie damit zu begründen.
 

Zwischenergebnis nach Teil I
 

Die dargestellten konträren Positionen im Streit um Sakralgebäude oder Mehrzweckraum bis etwa 1970 haben eine methodische Gemeinsamkeit gezeigt: Für die Entsakralisierung wurden aus der exegetisch-dogmatischen Tradition Grundsätze abgeleitet, die dann dem ethisch-politischen Ziel dienen sollten. Auch die Vertreter des Sakralen versuchten ihrerseits, exegetisch-dogmatische Traditionen in eine Raumgestalt zu übersetzen, die durch "helfende Rückwirkung" (92) dem gottesdienstlichen Erleben dienen sollte. Übereinstimmung bestand darin, daß sozusagen »von oben«, von einer höheren Gestalt oder Gerechtigkeit aus, Konsequenzen für das kirchliche Bauen gezogen werden sollten.

Christof M. Werner hat - allerdings nur im Blick auf die Vertreter des Sakralen - darauf hingewiesen, daß architektonische Folgerungen aus theologischen Sätzen keineswegs stringent sind (93). Dies gilt aber für beide Positionen. Die christliche Lehre von Inkarnation und Kondeszendenz Gottes als Ja zur Welt wird von der einen Seite als Ja zum bestimmten Ort (94), von andern als Qualifikation der Welt überhaupt als Gottes Ort aufgefaßt (95). Die Begründungsstruktur theologischer Beiträge zum Kirchenbau sollte sich - wie unten darzustellen sein wird - in der jüngeren Debatte unter Fortsetzung ihres äußeren Anliegens deutlich modifizieren.
 

Es kann zwar als Ergebnis der älteren Debatte festgehalten werden, daß im Evangelischen Kirchenbau zum Verständnis des Kirchenraumes der Konsens besteht, daß es keinen wesenhaft heiligen Raum gibt. Die Kritik der Entsakralisierung hatte in den modernen Vertretern des Sakralen nicht mehr ein the-ontologisches Sakralverständnis vor sich. Aber die Uneinigkeit, ja Gegensätzlichkeit der verschiedenen Schlüsse trotz dieses Konsenses im Blick auf die Gestalt des Gottesdienstraumes macht deutlich, daß diese Frage theologisch mit anderen Erkenntnisquellen verknüpft werden muß. Das »von oben« begründete Urteil ist in der Kirchenbaudebatte - oft ohne daß dies die Vertreter selbst deutlich machten - von der jeweiligen Erfahrung der Wirklichkeit bestimmt worden, d.h. bei den Vertretern des Sakralen von der religiösen Erfahrung und bei den Sakralitätskritikern von der politischen Konfrontation mit der ökonomischen Ungerechtigkeit. Man setzte sich über die Baugestalt auseinander, ohne eine gemeinsame Basis zum Verständnis des Gottesdienstes zu haben. Dort aber zeigten sich deutliche Unterschiede: Für die Vorstellungen vom Sakralraum war die Erfahrung des Einzelnen (96) und der passive Empfang von Wort und Sakrament leitend, der Entsakralisierung lagen Gruppengespräche und Modelle gesellschaftlicher Auseinandersetzung zugrunde. Daß beide Dimensionen von Individualität und Sozialität zusammen Menschsein konstituieren, ist dabei zu wenig in den Blick gekommen.

Der Streit um Sakralbau oder Mehrzweckraum hat nach 1970 ohne Klärung aufgehört und das Interesse am Kirchenbau hat überhaupt nachgelassen (97). Man richtete das Augenmerk auf andere Probleme, während weiter Kirchen gebaut wurden. Eine grundlegende Neuorientierung war nötig.

EinführungSakral-KritikMehrzweckraumforderungVerteidigung des Sakralenneue Empirieneuere Kirchenbaudebatteaufgeklärter SakralbegriffSchluss
 

T E I L   I I :

THEOLOGIE UND EMPIRIE

Die Neuorientierung in der Kirchenbaudebatte seit etwa 1970

Die Forderung nach einem »Ende des Kirchenbaus« hatte sich nicht durchgesetzt. In der anschließenden Diskussionspause wurde der Blick neu auf die tatsächliche Situation des Kirchenbaus gerichtet. Man unternahm soziologisch methodisierte empirische Untersuchungen und begann nach der konkreten Situation zu fragen, wie das der »Wende zur Empirie« (98) bzw. der »Wende zur Erfahrungswelt« (99) in der (Praktischen) Theologie überhaupt entsprach. Die jüngeren Beiträge zur Kirchenbaudebatte stehen in diesem Kontext und sind daher als theologische Neuinterpretationen des empirischen (kirchen-)soziologischen Befundes zu verstehen, verbreitert v.a. durch humanwissenschaftliche Ergebnisse. Hier sollen zunächst (A) einige der empirisch-soziologischen Beiträge skizziert werden und ihr Anliegen als fünfte Argumentationslinie bestimmt werden. Dann werden (B) einige Aspekte entsprechender jüngerer Beiträge in der Kirchenbautheorie skizziert, die zuletzt die Frage nach einer theologischen Klärung des Sakralbaus wieder neu aufwerfen.
 

A) Empirische Beiträge zum Umgang mit Gottesdiensträumen
 

Karl-Wilhelm Dahm bemerkte 1971 (100), daß zwar die "kognitiv ein gutes Stück weit einsichtige" Argumentation derer, die gegen das Bauen der Kirchen argumentieren, bei Akademikern, Leitungsgremien und Pfarrern eingedrungen sei, daß aber die "Mentalität" des "Kirchenvolkes" anders aussehe [6]: "der eigene Kirchensteuerbeitrag [...] ist [...] primär gedacht für die personelle und bauliche Versorgung der eigenen Wohnwelt durch kirchliche Einrichtungen" [7]. Theologische Argumente könnten faktisch "in der Kommunikation nicht einsehbar gemacht werden" [8]. Kirchliche Baukonzeptionen sollten daher an soziologisch gewonnenen Aspekten orientiert werden.
 

1. Untersuchungen von Mehrzweckräumen und neue Religiosität
 

Vom Institut für Kirchenbau in Marburg (Graß, Dahm, Schwebel u.a.) wurde seit 1971 eine bundesweite Untersuchung von Gemeindezentren unternommen (101), in der Gemeindeglieder zur Eignung von Mehrzweckräumen für den Gemeindegottesdienst befragt wurden. Daraus ergab sich, daß die Akzeptanz eines solchen Raumes nicht im wünschenswerten Umfang vorhanden war. Die Gemeindeglieder akzeptierten zwar alle Funktionen des Gemeindezentrums an sich, aber für den Gottesdienst, erst recht bei Kasualien und an Festtagen, zogen sie eine »echte« Kirche vor und wanderten dazu in die alten Innenstadtkirchen ab (102). Und trotz grundsätzlicher Bejahung von nicht gottesdienstlichen Veranstaltungen im Gottesdienstraum ergab sich für die Mehrheit der Befragten eine Grenze für die Art der Nutzung, die für einen größeren Teil dort lag, wo der kirchliche Bezug aufhört (103). Signifikant äußerte sich der Wunsch nach einem »richtigen« Gottesdienstraum darin, daß die bewegliche Ausstattung der Mehrzweckräume nachträglich baulich fixiert wurde und sich ein Wunsch "in Richtung auf eine mehr 'sakrale Atmosphäre'" (104) mit typischen Elementen wie Kruzifix, Buntglas, Orgel oder festen Prinzipalstücken äußerte. Auch sonst wurde beobachtet, daß doch "einer der Räume als Sakralraum definiert und einzig dieser Nutzung vorbehalten wurde" (105). An anderen Orten wurden trotz des vorhandenen Gemeindezentrums sogar neue Kirchen gebaut. In Bezug auf die »Schwellenangst« stellte sich die Lage anders dar als ursprünglich geglaubt: Die Wochentagsnutzungen wurden fast nur von der Kerngemeinde wahrgenommen, die "Randsiedler [...] kommen dagegen in den Gottesdienst" (106). Eine neuere Untersuchung in Wiesbaden kommt zu dem Schluß: "Wenn man schon in die Kirche geht, dann sollte sie auch aussehen wie eine Kirche" (107).

Zu den Erfahrungen mit Gemeindezentren kommen vermehrt auch allgemeinere Beobachtungen: In Lübeck ist der wiederaufgebaute Raum von St.Petri ein Anziehungspunkt und "sucht sich" als Sakralraum selbst "seinen Zweck" (108), unabhängig von einer kirchlich-institutionellen Prägung. Die 80er Jahre sind die Jahre für die "Neue Kultstätte Museum" (109). Früher war der Kirchenbau die »Spielwiese der Architekten« gewesen, jetzt haben die Museumsbauten dies vielfach übernommen. Als Gedenk- und Pflegestätten der Tradition verlangen sie rituell anmutende Begehung und erhalten eine Gestalt, die über sich selbst hinauszuweisen beabsichtigt. Die Renaissance des Sakralen kann in der Architektur, mit Anklängen an die Gotik oder den Turm, bis hinein in die Gestaltung von Bürobauten beobachtet werden.

Damit offenbart sich auch im Blick auf den Bau für die letzten Jahrzehnte eine Entwicklung in der Gesellschaft, die Dietrich Rössler so zusammenfaßt: "Das Religionsthema hat Konjunktur" (110). Im Blick auf den vermehrt außerkirchlichen Ort von Religiosität kennzeichnen kritische Stimmen die religiöse Lage der Gegenwart, wenn auch überzeichnend gemeint, mit dem Satz "Religion boomt, die Kirchen leeren sich" (111). Diese Beobachtungen einerseits und die gleichzeitige "Krise des Kirchenbaus" (112) andererseits stellen damit die Frage nach der Religionsfähigkeit des Kirchenbaus in der Volkskirche (113).
 

2. Soziokulturelle Orientierung (5. Argumentationslinie)

Kirchenbau als gegenwartsnahe Lebensäußerung der Gemeinde
 

Es liegt in der Natur der Sache, daß sich die empirische Gegenwartsanalyse nicht auf vergangene Zustände bezieht. Die Sache selbst aber ist nicht neu. Der methodische Ausgang von der Beschreibung der christlichen Gemeinschaft läßt sich bereits im Pietismus erkennen. Im 19. Jh. erfuhr die Theologie durch FriedrichD. E. Schleiermacher ihre wissenschaftliche Grundlegung als positive Wissenschaft (114). DietrichRössler definiert so: "Praktische Theologie entsteht [...] erst angesichts der geschichtlichen Praxis des Christentums" (115).
 

Der Kirchenbau war zu allen Zeiten nicht unabhängig von seiner Gemeinde. Im 19. Jh. hat man dann aber bewußter begonnen, mit dem Kirchenbau auf soziologische Einsichten zu reagieren. Die Eisenacher Bewegung versuchte allerdings, verbunden mit dem Anliegen einer Einigung des deutschen Protestantismus, "dem Zerfall der kirchlichen Strukturen, der u. a. aus dem Übergang von der territorial geschlossenen Staatskirche zur Volkskirche resultierte, durch die Errichtung von sowohl funktionalen als auch stimmungsmäßigen Kirchenbauten entgegenzuwirken" (116). Der entsprechende Kirchenbaustil war anfangs noch populär gewesen, am Ende des Jahrhunderts aber wurde von der Oberschicht versucht, durch solche Kirchenbauten die stark wachsende Arbeiterschaft "gegen [unliebsame] sozialdemokratische Einflüsse immun zu machen" (117).

Diese Versuche, den Kirchenbau mit bewußt sakraler Attitüde gegen die Wirklichkeit der Gemeinden zu instrumentalisieren, wurden durch das an tatsächlich vorhandenen Bedürfnissen orientierte Bauen der Gemeinden jedoch ausgehöhlt. Außerhalb des Gottesdienstes war eine rege "in Vereinsform organisierte kirchliche Arbeit" (118) entstanden; man baute das »Gemeindehaus«, und aus ökonomischen Gründen rückte dies an den Kirchenbau heran. So entstand ein Ensemble, das durch die Anlagerung von Gemeindesälen, Wohnungen für hauptamtliche Mitarbeiter und Sozialstationen an - wie bisher - der gottesdienstlichen Nutzung vorbehaltene Kirchenräume gebildet wurde (119).

Diese Entwicklung begleitete eine durch die Opposition zum normierten Sakralbau hervorgerufene intensive Debatte, in der die von der konservativen Theologie bekämpfte "Idee des Gruppenbaus" (120) seit 1881 in Emil Sulze ihren Protagonisten hatte. "Ihm ging es um die theologische Frage nach evangelischer Kirche im Kontext des 19. Jahrhunderts. Er ging von der Gemeinde aus" (121). Das Gemeindezentrum mit besonderem Gottesdienstraum, wie es hier erste Gestalt fand, entsprach einer vorfindlichen Vielfalt gemeindlichen Lebens, wie sie sich im 20.Jh. noch verbreitern sollte und das Gemeindezentrum zur überwiegenden Gestalt evangelischen Bauens bis heute machte (122).

Der Blick auf die gesellschaftliche Lage äußerte sich gleichzeitig in dem Bestreben, Anschluß an die säkulare Architektur bzw. Kunst zu gewinnen. Der Einordnung der Theologie in die Wissenschaften entsprach die Verortung der Kirche in der Gesellschaft und ebenso ihrer Kunst. "Die große Kirche", so die Analyse Schleiermachers, "hat die Kunst immer zugelassen" (123) und sich nicht aus der Gesellschaft zurückgezogen. Die Eisenacher Festlegung auf einen zeitweilig beliebten Stil hatte dagegen gedroht, den Kirchenbau aus der allgemeinen Entwicklung auszuklinken. Um die Jahrhundertwende wurde daher die "Einfügung in die säkulare Kultur [...] gefordert" (124). Der protestantische Kirchenbau sollte Ausdruck seiner Zeit sein, Ausdruck der Gegenwärtigkeit der Kirche als einer, nach manchen gar der Prägekraft der Nationalkultur. Als wesentlich profaner Raum sollte der Kirchenbau dabei keinem genuin kirchlichen Stil gehorchen, sondern den modernen Künsten Raum gewähren (125). In der Moderne verkörperte dies Otto Bartning als Vorsitzender des Architektenbundes und Kirchenplaner (126). Die kulturelle Nähe des Kirchenbaus zum gesamtgesellschaftlichen Kontext und die Verwendung der Möglichkeiten moderner Kunst und Technik ist im Kirchenbau eine bleibende Aufgabe geblieben, v.a. der Charakter der Kunst im Kirchenraum ist immer wieder Gegenstand von Auseinandersetzungen.

Die nüchterne Betrachtung der Lage nach dem Ende der älteren Kirchenbaudebatte zielte auf eine von dogmatischem und religiösem Überbau unvoreingenommene Neuorientierung des Kirchenbaus. Auch wenn die Methode empirischer Untersuchung keinen bestimmten Kirchenbau fordert, sondern mehr der Vielfalt dient, stellt sie doch die Frage nach dem zeitgemäßen Ausdruck des Protestantismus in der Gesellschaft. Gleichzeitig wird damit für einen Kirchenbau argumentiert, dessen künstlerische und soziale Kultur der kirchlichen Wirklichkeit entspricht. Diese Aspekte zusammen ergeben damit eine fünfte, an der soziokulturellen Wirklichkeit orientierte Argumentationslinie.
 

EinführungSakral-KritikMehrzweckraumforderungVerteidigung des Sakralenneue Empirieneuere Kirchenbaudebatteaufgeklärter SakralbegriffSchluss
 

B. Weiterentwicklungen in der neueren Kirchenbaudebatte

Die Kirchenbaudiskussion hat den Wunsch der Gemeinden nach einem deutlich gottesdienstlich gestalteten Raum für den Gottesdienst wahrgenommen. Menschen suchen die religiöse Identifikation mit dem Raum (127). Die empirische Betrachtung lenkte den Blick auf die Menschen, und was sich für die fünfte Argumentationslinie methodisch von selbst ergab, sollte für die Kirchenbaudebatte insgesamt grundlegend werden.
 

1. Theologie und Anthropologie

Die Kirchenbaufrage veränderte sich dabei parallel zur Entwicklung in der Theologie insgesamt. "Von der frühen Orientierung an der 'Praxis' menschlicher Erlösungsbedürftigkeit an" läßt sich die Entwicklung verfolgen, die zur neuzeitlichen "Konzentration der theologischen Begründungsproblematik auf die Anthropologie" (128) führte. Um der interdisziplinären wissenschaftlichen Diskursfähigkeit willen "muß die christliche Theologie in der Neuzeit ihre Grundlegung auf dem Boden allgemeiner anthropologischer Untersuchungen gewinnen" (129). "Anthropologie als interdisziplinärer Bezugspunkt hat [...] den Vorteil, daß sie bei entsprechender inhaltlicher Ausgestaltung in der Lage ist, Wissenschaftstypen geistes-, natur- und sozialwissenschaftlicher Provenienz in einer einzigen Perspektive zusammenzubinden" (130).

Teilweise schon aus der älteren Kirchenbaudebatte heraus ist die hier angesprochene Neuorientierung verlangt worden. HorstSchwebel, der 1968 die "Kategorie des Menschlichen" gegen die "Diktatur der Liturgie" (131) gesetzt hatte, wies immer wieder darauf hin, daß es sich bei der angezeigten Betrachtung des Kirchenraumes "primär nicht um Theologie, sondern um anthropologische Gesichtspunkte" (132) handle. Konzepte wie der Mehrzweckraum-Gedanke seien "nicht an mangelnder theologischer Reflexion, sondern an einer falschen Einschätzung anthropologischer Gegebenheiten" (133) gescheitert. PeterBeier mahnte angesichts dessen, "daß Protestanten in der Tat Schwierigkeiten im Umgang mit dem Raumproblem haben (134)", dazu, sich im Kirchenbau über die Zweckmäßigkeit für das Wortereignis hinaus auch mit dem (architektonischen) Formproblem, der psychologischen Komponente und der sozialen Dimension zu beschäftigen. Damit sind einige der interdisziplinären Felder benannt, auf denen sich die Beiträge zum Kirchenbau neu orientierten.
 

Die Interdisziplinarität hat deutlich zugenommen. Beim Kirchenbautag 1993, der unter dem Thema »Raum und Ritual« (135) stattfand, sprachen evangelische und katholische Theologen (Liturgik und Religionswissenschaft), dazu Vertreter der Kirche, Architektur, Soziologie und Philosophie. Die Kirchenbaudebatte um die Spannung zwischen Sakralbau und Mehrzweckraum ist dabei, z.B. in der jüngeren größeren Darstellung in RainerVolps »Liturgik« (136), Geschichte. Bei ihm wird vom Raum vor allem verlangt, daß er durch »Offenheit« die lebendige Liturgie nicht behindert. "Ziel eines theologisch relevanten Umgangs mit Räumen" (137) sei es, daß Spuren zurückgelassen und gelesen werden können. In dieser Beziehung wurde der »Umgang mit Raum« (138) zum meistdiskutierten Thema, auch im Blick auf die große Zahl älterer Kirchenbauten. Die Frage eines Kirchenneubaus stellte sich in der Praxis immer seltener. Man verlagerte sich, geleitet von einzelnen interdisziplinären Schwerpunkten, mehr auf Einzelprobleme. Insgesamt gilt, daß ein angemessener Rahmen für die kritische Rezeption der interdisziplinären Einsichten wie für die Liturgik insgesamt (139) noch nicht besteht.
 

Der Arbeitsausschuß des Evangelischen Kirchenbautages beschloß 1991 neue Empfehlungen zum evangelischen Kirchenraum. In den sog. »Wolfenbütteler Empfehlungen« (140) wird - unter Bezugnahme auf frühere Themen - eine veränderte Lage angesprochen: Der Bau der Gemeindezentren "entspricht einer Veränderung des kirchlichen Selbstverständnisses im Verhältnis von Kirche und Welt. Die Kirche hält auch weiterhin an ihrer Verantwortung für das Ganze der Gesellschaft - einschließlich der Randgruppen - fest, sucht aber nach neuen Formen" [1]. Empfohlen wird daher - ohne theologische Stellungnahme - für neue Kirchenräume: "Dem Wunsch der Gemeinden nach einem vor allem gottesdienstlich genutzten Raum sollte künftig entsprochen werden" [6]. Zum Gottesdienstraum wird gesagt: "Der gottesdienstliche Raum ist ein gestalteter Raum, der deutlich zu erkennen gibt, was in ihm geschieht. Er soll so beschaffen sein, daß in ihm durch Lesung, Predigt, Gebet, Musik und bildende Kunst das Wort Gottes verkündigt und gehört werden kann und die Sakramente gefeiert werden können. Durch seine gegenwärtige Gestaltung und Ausstattung soll die Begegnung der Gemeinde mit dem lebendigen Gott zum Ausdruck kommen" [2].

Die Wolfenbütteler Empfehlungen zeigen auch als Papier, das einen gewissen Diskussionsstand dokumentiert, die Fragmentierung in der jüngeren Kirchenbaudebatte. Ihre Offenheit ist als "Beschreibung Einerseits - Andererseits" (141) charakterisiert worden. Sie entspricht der aktuellen Lage im Kirchenbau. Durch ihre "mehrfach codierbare Kirche" sind die Empfehlungen "das erste Postmoderne Kirchbauprogramm" (142). Der Ausgang vom Wunsch der Gemeinden zeigt die Richtung an, die Empfehlungen selbst geben vor allem Hinweise für einen Gottesdienst mit freien Formen.
 

Mit der Orientierung am Menschen und an der Gemeinde ist eine Umkehrung der Begründungsstruktur erfolgt: das Kirchenbauproblem wird theologisch gewissermaßen »von unten« entwickelt. Die theologische Entsakralisierung (Argumentationslinie 1) hat ihre Gültigkeit nicht verloren. Als einer von wenigen hat HorstSchwebel das Thema immer wieder aufgegriffen und festgestellt, daß "die Gestalt des Kirchenbaus irrelevant" (143) sei für das Heil des Menschen und daher von theologischer Seite "die Freiheit [...], über alle Raumfragen in den Diskurs zu treten" (144), gegeben sei. Die empirische Orientierung (Argumentationslinie 5) hat dazu die Methodik und Interdisziplinarität entwickelt.

Die Zielsetzungen der ethisch-politischen Stoßrichtung der 60er Jahre (Argumentationslinie 2) sind auch durch die jüngere Debatte nicht umgekehrt, aber durch die Betonung anderer religiöser menschlicher Grundbedürfnisse relativiert worden (145). Themen wie Offenheit für Randsiedler, »Einfachheit« (146), ökologische Verantwortung (147) oder Behindertengerechtigkeit (148) werden, wenn auch selten, angesprochen.

Die Anliegen, die für den Sakralraum vorgebracht worden waren (Argumentationslinien 3 und 4), wurden in der Kirchenbaudiskussion eher indirekt benannt und sind doch neu virulent geworden. Daher soll dieser Frage der folgende Abschnitt gewidmet werden.
 

2. Die neu gestellte Sakralraumfrage
 

Auch ohne daß es eine explizite Diskussion über Sakralgebäude oder Mehrzweckraum gibt, ergeben sich aus dem Umgang mit Thema und Begriff des Sakralraumes doch Fragen: Theologen meiden die Thematik eher, während Beiträge aus anderen Wissenschaften unbefangen damit umgehen.

Den Gebrauch des Sakralbegriffs unter Theologen hat neben den oben behandelten Gegenbildern vor allem auch die Analyse von Christof M. Werner beeinflußt. Werner hat das gängige Verständnis von Sakralität (149) als sensualistische "Charaktergattung" (150) bestimmen wollen. Im Rahmen eines neuzeitlichen "ästhetischen Verhältnisses" (151) habe man mit Sakralität zwar nicht mehr eine dingliche Vorstellung verbunden, aber doch ein Höheres zum Ausdruck bringen wollen, was entweder in historistischer Archaik enden (152) oder zu Undefinierbarkeit führen mußte (153). Problematisch bleibe, daß man, "indem man heutzutage vom Sakralen redet, [...] primär immer noch die Rolle des Sakralen vor dem Zeitalter des historischen Bewußtseins vor Augen" (154) habe.

Entsprechend äußert sich WernerJetter, der »Symbol und Ritual« (155) als anthropologische Elemente für den Gottesdienst zum Thema gemacht hat: "Der Ritualisierung folgt wie ein Schatten die Gefahr der Sakralisierung, der Abgrenzung" [145]. Entsprechend bemerkt er in seiner knappen Behandlung des Kirchenbaus: "Die Entwicklung jeder gebauten Symbolik folgt rasch ihrem eigenen Schwergewicht" [146], aufgrund ihres baulich bedingten Verharrens könne es zu "Anachronismen" kommen - allerdings auch beim Symbolgehalt eines Mehrzweckraumes [147]. Auch Rainer Volp weist "Bedeutungsweisen [...], die sich nach einer festen Symbolik richten" (156), zurück. Der Sakralitätsbegriff scheint abgelöst, wenn er darauf hinweist, daß "das immer wieder aufgekommene Verlangen nach »Sakralität«" "in den letzten Jahren dem Fragen nach spirituell offenen und ästhetisch authentischen Räumen" [ebd.] gewichen sei.

Wissenschaftler aus anderen Disziplinen zeigen dagegen keine Berührungsängste gegenüber dem Begriff des Sakralen, dies wird u.a. an den Beiträgen für den oben erwähnten Kirchenbautag 1993 deutlich (157). In dem Band »Die Wiederkehr des Genius Loci« wird die Bedeutung von Kirchen für die Stadt diskutiert. Die Stadtkirchen - je nach Funktion auch "öffentlicher Tempel" oder "private Kapelle" (158) genannt - bilden nach Architekt Martin C. Neddens als "Sakrale Orte" "Eckpunkte des Genius loci" (159) einer Stadt. Sie wirken als "Orte einer 'Gegenkultur'" (160). Der Soziologe Hans G. Soeffner meint an anderer Stelle: "Kirchen als 'Sakralbauten' sind Traditionsgaranten" (161), und: "'Christliche' Kirchbauten sind heute [...] die in Stein gehauene, in Beton oder Glas gestaltete, sichtbare Differenz zwischen der christlichen und anderen Sinnstiftungen" (162). Nach dem Philosophen Rolf Lessenich sind Kirchen heute im religiösen Bereich nur noch "primae inter pares neben Synagogen, Moscheen und Freimaurerlogen" (163). Vor einem interdisziplinären Forum zu Stadt und Kirchenbau wurden Theologen aus soziokultureller Sicht angefragt: "Können und wollen die Kirchen in einer pluralistisch-materialistischen Gesellschaft noch Zeichen setzen?" (164).

Die Notwendigkeit einer Positionsbestimmung für die Theologie (165) besteht auch deshalb, weil Beispiele jetzt gebauter Kirchen zunehmend auch wieder auf alte Formen und Typen zurückgreifen, die der lebendigen Liturgie bereits wieder Grenzen zu setzen drohen (166). Die Tendenzen zum Sakralraum sind derzeit so deutlich, daß sie, wie GünterRombold (ausgehend von der noch stärkeren Tendenz im katholischen Bereich) meint, "zur Wiederaufnahme der Diskussion um das Problem des Sakralen zwingen" werden, welche in der älteren Kirchenbaudebatte ohne Klärung versandet sei (167). Die Frage nach dem Sakralraum ist damit erneut gestellt.
 

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T E I L I I I :

ZWISCHEN PROFANITÄT UND SAKRALITÄT

Zusammenfassung und Ausblick
 

Die Untersuchung wird nun in einem eigenen Gedankengang zuerst (A) die Frage nach dem Sakralraum weiterführen und schließlich (B) bleibende Aspekte aus dem Gang der Debatte für den evangelischen Kirchenbau zusammenfassen.
 

A. Theologische Aktualisierung
 

Der Blick auf die jüngere Kirchenbaudebatte hat zu dem Punkt geführt, daß die Frage nach dem Sakralen im Kirchenbau wieder gestellt ist. Die theologische Diskussion hat sich damit auseinanderzusetzen, daß der Begriff des Sakralen da ist und daß in der christlichen Kirche sogenannte Sakralbauten entstehen (und natürlich in großer Zahl bestehen).

Hier soll daher auch auf den Begriff gebracht werden, was in der Kirchenbaudebatte für den Raum schon erfolgt ist: Das protestantische Christentum kann - jedenfalls für sich - darauf hinweisen, daß (1) auch der Begriff des Sakralen entsakralisiert ist und (2) Möglichkeiten zur Mehrzwecknutzung eines Sakralraumes bestehen.
 

1. Perspektiven für einen aufgeklärten Sakralbegriff
 

Beim Vergleich der Beiträge zum Kirchenbau wird sichtbar, daß in der Verwendung des Begriffs des Sakralen in aller Regel nicht mehr davon ausgegangen wird, daß im Sakralen Gott manifest werde und daß also um Gottes willen ein Sakralraum heilig zu halten sei. Man muß folglich sagen: Sakrale Räume sind solche Räume, die aus der »Sakral«haltung durch Menschen entstehen (168). Menschen geben Bauten ihren Zweck, und ein »Sakralbau« ist ein "religiösen Zwecken dienendes Bauwerk" (169).

Zu dieser objektiven Aussage über den Sakralraum kommt nun die ästhetische Dimension hinzu. Sie kann das Sakrale nicht definieren, sondern nur über charakterliche Qualitäten (»Mehr«, »Erhabenes« etc.) beschreiben. Dabei bezieht sie sich auf religiöse Dimensionen. Das Sakrale am Eindruck eines Raumes hängt vom Bewußtsein des jeweiligen Menschen ab, es ist rezeptionsästhetisch zu fassen. Das wird z.B. deutlich daran, daß der sakrale Kirchenraum seine Sakralität nicht verliert, solange seine sporadischen oder regelmäßigen Benutzer von substanziellen Veränderungen bzw. anders gearteten Zwischennutzungen nicht Kenntnis nehmen. Umgekehrt gibt es Orte, die ohne äußerliche Besonderheit aufgrund von religiösen Erinnerungen, die hier wachgerufen werden, von einzelnen oder Gemeinschaften sakrale Bedeutung bekommen haben. Sakrale Orte überall auf der Welt lassen sich ästhetisch nicht über Stilmerkmale, sondern nur über ihre religiöse Rezeption bestimmen (170).

Der Begriff »Sakralbau« wird folglich sowohl zur objektiven Unterscheidung von Gebäuden wie zur Kennzeichnung ihres ästhetischen Ausdrucks verwendet. Sakralräume sind demnach ihrem Wesen nach Räume für Religiosität und ihrer Gestalt nach Ausdruck für Religiosität. Da an dieser Stelle Sakralräume von anderen Räumen unterschieden werden sollen, ist hier die Religiosität gemeint, die für ihren Ausdruck eine von der Alltäglichkeit unterschiedene Situation sucht (was jedoch z.B. auch für die liturgische Gottesdienstfeier gilt).
 

Aus der Unterscheidung von Zwecksetzung und ästhetischer Gestalt ergeben sich Affinitäten zu den Argumentationslinien für das Sakrale aus der älteren Debatte: Der Ausdruck für Religiosität hängt zusammen mit der künstlerischen Ästhetisierung (Argumentationslinie 4). Die Argumentationsrichtung ist nun aber im Vergleich zur älteren Debatte umgekehrt: Aufgrund der theologischen Neuorientierung am Menschen fordert das Interesse religiöser Erfahrung nicht die bauliche Manifestation eines göttlichen »Mehr«, sondern künstlerische Gestaltung, die als geeignet erfahren wird, je individuell und spontan den Menschen auf seinen transzendenten Grund auszurichten. Ähnliches gilt dann auch für das Zweite: Der Zweck, Raum für Religiosität zu sein, schließt sich zusammen mit der »kirchliche Symbolisierung« genannten Argumentationslinie 3, da es um eine kommunizierbare Zwecksetzung geht. Die religiöse Nutzung wird durch bauliche Gegebenheiten zur Funktionserfüllung ebenso wie durch eine kirchliche Symbolik kommuniziert. Auf diesen Aspekt ist auch alles bezogen, was eine sozialkulturelle Gemeinschaft gemeinsam als ästhetisch »sakral« versteht, weil solche Konventionen als Zeichen funktionalisiert werden können. Es geht dabei um die Abbildung des gemeinsam Geglaubten. Auch für diese Argumentationslinie ist nun aber die Argumentationsrichtung umgekehrt und damit »entsakralisiert«: Das Interesse besteht nicht mehr in der Abbildung göttlicher Wahrheiten, sondern im Sprechen der Sprache einer religiösen gemeinschaftlichen Tradition, die Orte ihrer Gottesbegegnung zeichenhaft kenntlich macht.

Unter Voraussetzung dieser »Aufklärung« ist der Begriff »Sakralbau« auch für protestantische Kirchenbauten verwendbar. Präzisierungen wie »sakral gestalteter Bau« o.ä. machen noch deutlicher, was jeweils gemeint ist. Allerdings ist die bisher in der protestantischen Diskussion und vor allem in offiziellen Dokumenten - sogar Rummelsberg 1951! - gepflegte Vorsicht im Gebrauch des Begriffs angezeigt, solange dieses aufgeklärte Verständnis nicht das einzige ist. Die Aufklärung der Begriffe und Vorstellungsgehalte bleibt eine theologische Aufgabe im gesellschaftlichen, interdisziplinären und interkonfessionellen Diskurs zum Kirchenbau.
 

Mit diesem ganzen Fragenkreis ist die Theologie letztlich auf ihre Prolegomena angesprochen, speziell auf die Religionsthematik. Steht christlicher Glaube aller Religiosität entgegen? Wo diese Frage bejaht wird, da muß aller Sakralbau durch seinen Bezug auf Religiosität als Gefahr empfunden werden. Nimmt aber christlicher Glaube alle Religiosität auf? Wo diese Frage bejaht wird, da muß eine kritische Diskussion über den Sakralbau als Gefahr empfunden werden. Tatsächlich nimmt die evangelische Kirche und ihr Kirchenbau eine Stellung dazwischen ein. Einerseits werden religiöse Elemente als "Evangelische Spiritualität" (171) aufgenommen, andererseits werden religiöse Bewegungen der Gegenwart und ihre Lebensäußerungen kritisch reflektiert (172).
 

2. Sakralraum und Mehrzwecknutzung
 

Der »Überschuß« eines Gottesdienstraumes ist oft in »Zweckfreiheit« gesehen worden, aber diese Bestimmung verkennt, daß jeder Bau als Handlung sich einer zweckhaften Absicht verdankt. Der Zweck evangelischen Kirchenbaus war dabei immer, Räume für evangelischen Gottesdienst zu schaffen. Die Kirchenbaudebatte hat ein weites Spektrum evangelischer Gottesdienstformen thematisiert: Es reicht von der individuellen Andacht (die im Wunsch nach Kapellen Ausdruck erhielt) bis zum sozialdiakonischen Dienst (Gemeindezentrum); vom bei eigener Passivität zugeeigneten Wort und Sakrament (das klassische Modell von »Kirche«) bis zur lebendigen dialogischen Auseinandersetzung (offene Aktionsfläche). Martin Luthers Umgang mit dem Gottesdienstformular blieb, obwohl er dem Wunsch nach spontaner Gestaltwerdung Ausdruck gab, für die an festen liturgischen Formen orientierte religiöse Praxis des Volkes offen (173). Vor einer vergleichbaren Situation steht auch der Kirchenbau: Für die volkskirchliche Gegenwart hat man immer wieder festgestellt, daß sich die religiöse Praxis und Gewohnheit des Volkes eher mit dem feierlichen Sakralraum identifiziert (174), während Flexibilisierungen und Alltagsnutzung mehr eine Sache der Kerngemeinde sind. Evangelischer Kirchenbau steht dadurch vor der Aufgabe, unterschiedlicher Religiosität auch innerhalb einer Gemeinde Raum zu geben (175). Bereits das Augenmerk auf den einen Zweck des Gottesdienstes begründet eine Vielfalt von Handlungen, die baulich als Mehrzweckanforderung interpretiert werden muß.
 

Sowohl (diachron) aus der unterschiedlichen geschichtlichen Herkunft wie (synchron) aus verschiedensten Frömmigkeitsprägungen und anderen örtlichen Bedingungen heraus hat sich eine Vielzahl unterschiedlicher evangelischer Gottesdiensträume ergeben. Der Kirchenraum ist ein Raum der Gemeinde, die in ihm mit ihrer Religiosität zuhause ist. Der verantwortliche Umgang mit einem Sakralraum ist keine Frage des theologischen Wesens eines Raumes, sondern eine Frage seiner Gemeinde und ihres religiösen, auf ihren Raum bezogenen, Bewußtseins. Horst Schwebel hat daraus gefolgert, daß der Umgang mit dem Kirchenraum eine Frage der Liebe ist (176).

Die Mehrzwecknutzung eines gottesdienstlichen Raumes erfährt dann ihre Begründung und ihre Begrenzung durch seine Gemeinde: Der Sakralität sind keine Nutzungen abträglich, die seine Gemeinde akzeptiert. Daher ist auch die Alternative »Sakral-« oder »Mehrzweckraum« aufgehoben (177).

Räume machen sich jedoch durch eine ablesbare Hauptfunktionalität identifizierbar. "Für jeden Raum gibt es eine Hierarchie der Funktionen" (178), stellt Rainer Volp fest. Eine vorwiegend gottesdienstliche Nutzung schließt demnach eine Mehrzwecknutzung nicht aus, aber letztere darf die Hierarchie nicht umkehren. Wenn Gemeinden einer sakralen Gestaltung für ihren Gottesdienst Priorität geben, dann entsteht daraus die planerische Aufgabe, die anderen notwendigen Funktion der gottesdienstlichen hierarchisch unterzuordnen. Auch im Kontext benachbarter Räume kommt dem Sakralraum keine Absolutheit zu, er kann mit anderen Räumen vernetzt werden. Karl-FritzDaiber charakterisiert einen möglichen zeichenhaften Bau für evangelische Gemeinden als »mulitifunktionales Gemeindezentrum« mit einem "Sakralraum, eingebettet in ein Zentrum kommunikativen Lebens" (179).
 

B. Schluß

Die Aufgabe lebendiger Kirche, immer wieder neu den ihr entsprechenden Gemeinderaum hervorzubringen, hat just die in der Debatte so wirkungsvolle Akademie in Bad Boll anschaulich vollzogen. Alle großen Stationen der Debatte in der Moderne fanden ihren Ausdruck: Im Hauptbau von 1955 war eine klassische Kapelle mit Bänken, Glasfenstern und Orgel eingebaut gewesen. Dann wurde in der Folge der Tagung von 1965 der Festsaal als Mehrzweckraum gebaut. Das vorläufige Ende und eine erneute Korrektur des früheren Konzeptes bildet nun die 1995 fertiggestellte Kapelle, deren ausschließlich »sakrale« Nutzung per Direktionsbeschluß geschützt ist.

Zum Schluß soll nun (1) ein Blick auf Perspektiven gegenwärtigen Bauens der Gemeinde in der Gesellschaft geworfen werden, und (2) der bleibende Gehalt der hier dargestellten Aspekte aus der Kirchenbaudebatte zusammengefaßt werden.
 

1. Perspektiven für gegenwärtiges Bauen der Gemeinden
 

Die Kirchenbauaufgabe ist relevant einerseits für das Glauben des Einzelnen und das Leben der Gemeinde und andererseits für das Bild von der Kirche. Historische Kirchenbauten prägen das Bild von der Kirche in historischen Gesellschaften, an der sie mit ihren Lebensäußerungen partizipierte. Auch in den modernen städtischen Lebenswelten bilden die kirchlichen Gebäude für die Außenwahrnehmung ein unmittelbares Zeugnis des kirchlichen Lebens. Kirchenbauten stehen in einem Wechselverhältnis mit dem Leben der Gemeinde. Was Lebensäußerung der Gemeinde wird, wird wesentlich geprägt von den räumlichen Möglichkeiten und ihrer Wahrnehmung durch die Menschen, die dort zusammenkommen, beieinander sind und von dort hinausgehen.

Deshalb hat die Kirche eine besondere Verantwortung für ihr bauliches Handeln, in dem sie sich weit dauerhafter als in anderen Handlungsfeldern manifestiert. Die theologische Reflexion des »Kirchen-Bauens« ist daher eine wichtige Aufgabe der Praktischen Theologie. Daß die Debatte um den Kirchenbau in den Gemeinden gegenwärtig nur eine Randerscheinung ist, mag einen Grund in der Standhaftigkeit baulicher Gegebenheiten haben. Finanzielle Belange ersticken Veränderungsdenken häufig schon im Keim. Theologische Engführungen in Bezug auf Verkündigungsformen haben den Kirchenbau gehemmt. Die jüngere Entwicklung hat demgegenüber die religiöse Erfahrung, den Menschen und seine Wahrnehmung wieder stärker ins Bewußtsein gerückt. Die interdisziplinäre Öffnung der Theologie hat viele neue Aspekte ergeben.

Am Ende des 20. Jh. ist der evangelische Kirchenbau mit dem Faktum konfrontiert, daß es alle Spielarten im Spektrum zwischen kirchlich-sakralem Solitär und dem Mehrzweckraum im Ortsteilzentrum gegeben hat. Im gegenwärtigen Bauen überwiegt der Versuch, den gegensätzlichen Anforderungen in einem differenzierten Komplex gerecht zu werden durch ein Gemeindezentrum, in dem ein (Kirchen-)Raum für vorwiegend gottesdienstliche Nutzung im Verbund eines (teilweise variablen) Raumgefüges angeordnet wird. Dieses Raumangebot ist an den Bedürfnissen der Parochialgemeinde orientiert. Mögliche Schwerpunktbildungen benachbarter Parochien (zB. im Stadtkirchennetz) könnten daneben der Gefahr gestalterischer Armut begegnen, die mit dem funktionalen Kompromiß verbunden ist: durch eine - wenigstens exemplarische - Besinnung auf den ganzen Gestaltungsspielraum evangelischen Kirchenbaus zwischen Sakralgebäude und Mehrzweckraum.
 

2. Bleibende Aspekte aus der Kirchenbaudebatte
 

Für alle Formen im Spektrum zwischen Sakralgebäude und Mehrzweckraum hat es jeweils Argumente gegeben. Die gegenwärtige Vielfalt stellt sich daher als begründete Pluralität dar.
 

Die Aporie der älteren Debatte um den Sakralraum bestand darin, daß man versucht hat, unterschiedliche Aspekte auf einer Ebene gegeneinander zu verrechnen. Man glaubte, dafür die gemeinsame Plattform »Theologie« zur Verfügung zu haben. Dabei ist die Mehrdimensionalität der Sache nicht gesehen worden. Aus dem Gegenstand der Darstellung hat sich in dieser Untersuchung eine Einteilung in fünf Argumentationslinien ergeben, die sich auf unterschiedliche Ebenen beziehen: theologisch, ethisch, anthropologisch usw. Jede Argumentationslinien hat ihr je eigenes Recht. Jeder Kirchenbau verlangt daher einen Ausgleich verschiedener Interessen, der nicht durch formelhafte Gleichungen, sondern nur aus einem Diskussionsprozeß heraus möglich ist.

Die folgende Zusammenstellung versucht, die unterschiedlichen Argumentationslinien aus der Debatte aufzugreifen und ihren bleibenden Gehalt für die gegenwärtige Diskussion anzudeuten:

1. Die theologische Entsakralisierung hat in der Debatte immer wieder an die kritische Funktion des Evangeliums im Blick auf die Gefahr einer Vergottung des Vergänglichen erinnert. Protestantische Kirchenbautheorie hat in dieser Perspektive die Aufgabe, klar die Weltlichkeit des Raumes als Bau zu lehren, dadurch die Gemeinde von Bindungen an den Raum frei zu halten und sie für die Welt zu öffnen.

2. Die anthropologische Wahrnehmung religiöser Erfahrungen hat die ästhetischen Wirkungen von Räumen für den religiösen Menschen thematisiert. Die Kirchenbautheorie hat in dieser Perspektive beim Bau von Gottesdiensträumen offen für die Wahrnehmung des Erfahrungswertes christlichen Gottesdienstes und christlicher Andacht zu sein und dabei auf die Möglichkeiten zu künstlerischer Gestaltung und Ausstattung hinzuweisen.

3. Die soziokulturelle Gestalt und die Ressourcen der Gemeinde haben den Kirchenbau, und dabei vor allem jedes Einzelprojekt für sich, stets geprägt. Die empirische analytische Bestandsaufnahme hat in der protestantischen Kirchenbautheorie die Gegenwärtigkeit des Kirchenbaus im Blick, speziell die soziale und künstlerische Kultur. Sie wird dafür Sorge tragen, daß das Bauen die Gemeinde nicht überfordert, die sozialen, funktionalen und kulturellen Bedürfnisse befriedigt und so authentische Lebensäußerung der Gemeinde in ihrem gesellschaftlichen Kontext bleibt.

4. Die ethisch-politische Betrachtung hat vor allem auf die Verantwortung der Kirche für die Welt hingewiesen und dabei den integrativen Gemeinschaftscharakter evangelischen Gottesdienstes betont. Protestantische Kirchenbautheorie nimmt diese Anliegen auf, wo sie nach der Bedeutung des Kirchenbaus über den kirchlichen Kontext hinaus fragt und kirchliches Bauen in Bezug auf den verantwortlichen Umgang mit den Ressourcen der gemeinsamen Welt kritisch hinterfragt.

5. Die Überlegungen zur Gestalt eines protestantischen Sakralraumes haben nach der symbolischen Bedeutung des Raumes und seiner Gestaltung gefragt. Der Protestantismus besitzt eine eigene, spezifische Sprachtradition. Protestantische Kirchenbautheorie hat in dieser Perspektive die Aufgabe, die Sprache der christlichen Botschaft auch im baulichen Text wahrzunehmen und im Blick auf die Kommunizierbarkeit protestantischen Handelns das Augenmerk sowohl auf die Möglichkeiten geprägter Formen wie deren Neuprägung zu richten.
 

Die Spannung zwischen Sakralgebäude und Mehrzweckraum findet demnach keine eindeutige Auflösung. Gemeinderäume, die der evangelischen Religiosität dienen, werden ebenso verschieden ausfallen, wie sich die jeweils gelebte Religiosität äußert. Die Entsakralisierung hat dazu geführt, daß Kirchenbau in evangelischer Freiheit geschehen kann, sie begründet einen Pluralismus evangelischer kirchenbaulicher Lebensäußerungen. Dieser Pluralismus ist ein »Pluralismus aus Prinzip« (180): begründet durch die theologische Kritik jeder Festlegung auf einen bestimmten Raumtypus und durch seine öffentliche Relevanz. PeterPoscharsky meinte bereits 1969: "[P]rinzipiell ist es weder möglich noch theologisch sinnvoll, einen einzigen Typ von Kirchengebäude anzustreben" (181).

Der evangelische Ort ist der bestimmte Ort der Begegnung von Gott und Mensch zu einer bestimmten Zeit. Diesen Ort für die bestimmte Situation zu gestalten, mit den differenzierten Möglichkeiten aus dem weiten Spektrum zwischen Sakralgebäude und Mehrzweckraum, ist die bleibende Aufgabe für evangelischen Kirchenbau.

EinführungSakral-KritikMehrzweckraumforderungVerteidigung des Sakralenneue Empirieneuere Kirchenbaudebatteaufgeklärter SakralbegriffSchluss
 

Anmerkungen (Literaturverzeichnis in neuem Fenster)

1. Brennecke 1994,121.

2. Rombold 1990,18.

3. Z.B. Langmaack 1954 (Leiturgia I); Hampe/ Bartning 1959 (RGG3).

4. Vgl. Schwebel 1990,519.

5. Probleme der Entsakralisierung betreffen neben dem Raum auch die Zeit (Kirchenjahr), das Wort (Liturgie), das Bild (Symbol, Bilderstreitigkeiten), das Amt usw., vgl. z.B. Bartsch 1971.

6. Vgl. Rössler 1994,1.

7. Darmstadt 1969,5.

8. Schwebel 1991,33.

9. Darmstadt 1969,171.

10. Kallmeyer 1966.

11. Darmstadt 1969,171.

12. Schwebel 1996,139.

13. Cox 1968,97.

14. Schmidt 1996,77.

15. Janowski 1984,131.

16. Auch Jer.7,11f.14; 26,6; Jes.32,14; vgl. Schmidt 1996,299.

17. BHS 1990,777 ("Wo wäre ein Haus, das ihr mir bauen könntet?").

18. Jh.4,20-24; Jh.2,19-21; Apc.21,3; Act.7,44-50; Mk.15,38par; u.a. (vgl. Schwebel 1969,90f.).

19. Nestle-Aland 1993,445 ("Ihr seid Gottes Tempel!").

20. Schweizer 1965,2.

21. Schweizer 1965,13.

22. Minucius Felix (Octav. 32,1) nach Brandenburg 1990,421 ("Tempel und Altäre haben wir nicht").

23. Schwebel 1996,135; anders aber Krautheimer 1965,47ff.

24. WA 31/I,179 (Auslegung des 118. Psalms 1529-30); WA 24,499 (Über das 1. Buch Mose. Predigten 1527); u.ö.

25. WA 10/II,242 (Antwort deutsch auf König Heinrichs Buch 1522).

26. WA 49,592 (Predigt zu Torgau am 5.10.1544).

27. WA 10/I,252 (Kirchenpostille 1522).

28. Koch 1981,113.

29. Koch 1981,112.

30. Calvin 1559,340 (III,20,30; "daß wir nicht dafür halten, daß sie eigentliche Wohnorte Gottes seien [...] oder daß wir ihnen irgend eine verborgene Heiligkeit hinzudichten").

31. Bahr 1961,246.

32. Bonhoeffer (1944) 1985,178.

33. EvTh 18(1958)372f., zitiert nach Söhngen 1961,185.

34. In der Debatte taucht die Position der »erwecklich-missionarischen« Bewegungen (Freikirchen und religiöse Gemeinschaften) gar nicht auf: Dort wurde dieselbe Erwägung unter der Zielsetzung einer Missionierung der Gesellschaft angestellt.

35. Waßer 1965,101.

36. Beispiel bei Dahm 1971,6f.

37. Poscharsky 1969,8f.

38. Fischinger 1964,120.

39. Vgl. Dahm 1974(1),14.

40. Darmstadt 1969,171.

41. Vgl. Rombold 1980,2.

42. "10 Thesen gegen unsere Sakralbauten" mit der Spitzenaussage "Sakraler Baustil ist pathologisch" (Bachmann 1965,59) sorgten auch in Württembergs Pfarrerblatt für eine emotionale Diskussion. Vgl. dazu a&b 19(1965)101-103; 129f; 231-234; 302-306; 359f; 550f. Demnach trieb man auch im Lande das Sprichwort unter Pfarrern: "Eine Kirche (ver-) braucht einen Pfarrer" (Waßer 1965,101). "Also: [...] Wieviel Pfarrer sind wegen eines Kirchenneubaus nicht mehr am Leben oder für den Rest ihres Lebens gezeichnet?" [102].

43. Nach Rombold 1969,85: J.G. Davies: The Secular Use of Church Buildings, London 1968.

44. Simpfendörfer 1968,108.

45. Simpfendörfer 1968,112.

46. Förderer 1968,118.

47. Förderer 1968,127.

48. Förderer 1968,121.

49. Blankestejn 1969,2ff.

50. Zum äußersten Ende, nämlich einer völligen Aufgabe kirchlichen Bauens mit der Konsequenz, jeweils leihweise Räume für den Gottesdienst zu nutzen, ist die Kirchenbaukritik nicht ganz vorgedrungen. In diese Richtung geht aber der Vorschlag von Hauskirchen (vgl. Kallmeyer 1969,164).

51. Braunfels 1987,182.

52. Vgl. WA 1,602f. (Ablaßthesen 1517, Thesen 50f.86).

53. WA 1,598 (Resolutiones 1518).

54. Beck 1987,186.

55. Beck 1987,189.

56. Brennecke 1994,124.

57. Bahr 1968,7.

58. Gamber 1987,22.

59. Rombold 1969,88.

60. Leitlinien 1988.

61. Stiegler 1961,302.

62. Rössler 1994,435.

63. Vgl. Graß 1973,100-102.

64. Z.B. Sulze 1891 (Brennecke 1994,124).

65. Z.B. Löhe 1858 (Brennecke 1994,123).

66. Regulativ 1861,272 (These 3).

67. Kaiser 1994,114.

68. Werner 1971,243.

69. Söhngen 1961.

70. Z.B. Girkon 1947 nach Wessel 1960,95.

71. WA 7,795 (Sermon von dreierlei gutem Leben 1521).

72. Poscharsky 1988,600.

73. Regulativ 1861,272f. (Thesen 8.10).

74. Programm 1891,276.

75. J. Schweizer (1959) nach Werner 1971,171.

76. Z.B. Horn 1949,63ff.

77. Werner 1971,169f.

78. Söhngen 1949,11 und andere im selben Band.

79. Söhngen 1949,13.

80. Grundsätze 1951.

81. Müller 1964,5.

82. Schleiermacher 1799,50.

83. Otto 1926. Otto hat besonders den Turm des Ulmer Münsters für numinos gehalten [92].

84. Eliade 1957,14.

85. Lanczkowski 1985,475.

86. Lippe 1987,415.

87. K.F. Schinkel nach Werner 1971,240f.

88. Paul Girkon nach Rutenborn 1948,135.

89. Tillich 1961.

90. Tillich denkt jedoch nicht an feste Symbole, sondern sieht eine protestantische Chance in einem »Pathos für das Profane«[352], nicht in festen sakralen Symbolen.

91. Tillich 1962,342f.

92. Hampe 1959,1348.

93. Werner 1971,8.

94. Z.B. Thimme 1976,26.

95. Vgl. Cox 1968,101f.

96. Exemplarisch: Das von Söhngen 1961,184 zitierte Erlebnis Bartnings allein in der Kirche.

97. KuKi (Editorial) 59(1996)2f.

98. Vgl. Drehsen 1989,10.

99. Rössler 1994,53.

100. Dahm 1971.

101. Marburg 1974 und 1981.

102. Graß 1981,149.

103. Dahm 1974(2),253.

104. Schwebel 1981,128.

105. Renner/ Ropertz 1996,96.

106. Poscharsky 1969,71.

107. Hassel/ Löwe 1992,217.

108. Harig 1992,8.

109. KuKi 1/1987, Titel.

110. Rössler 1994,75.

111. Grünberg 1995,7.

112. Kallmeyer 1969,162.

113. Vgl. Drehsen 1994 (zur Gesamtsituation).

114. Schleiermacher 1830,1 (KD § 1).

115. Rössler 1994,8.

116. Seng 1995,724.

117. Brennecke 1994,120.

118. Poscharsky 1969,14.

119. Brennecke 1994,121.

120. Brennecke 1994,121.

121. Brennecke 1994,124.

122. Vgl. Donner 1996,115.

123. Schleiermacher 1850,78.

124. Brennecke 1994,126.

125. Brennecke 1994,126f.

126. Horn 1957,899.

127. Leuninger 1974,v.a.159

128. Pannenberg 1983,11.

129. Pannenberg 1983,15.

130. Drehsen 1988,55.

131. Schwebel 1968,81; vgl. Cox 1968,101.

132. Schwebel 1996,137.

133. Schwebel 1990,524.

134. Beier 1995,42.

135. Köln 1993.

136. Volp 1992,403.

137. Volp 1994,979-981.

138. Kassel 1976.

139. Rössler 1994,408.

140. Empfehlungen 1991.

141. Bürgel 1991,9.

142. [sic!] Schwebel 1991,37 (orig. fett).

143. Schwebel 1994,15.

144. Schwebel 1994,16 (kursiv vom Verf.).

145. Bürgel 1991,7 bringt wieder Hochtheologisches ins Spiel: "Nun liegt es mir fern, diese Gedanken als ungerechtfertigt abzuwehren. Sie waren und sind angesichts der Weltlage eine bleibende Herausforderung. Aber ebenso gilt die Mahnung Jesu: gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist für den gottesdienstlichen Raum".

146. KuKi Heft 3/1987.

147. KuKi Heft 3/1987, auch Empfehlungen 1991,6.

148. Empfehlungen 1991,5.

149. Zur Herkunft des Begriffs: Werner 1979,98.

150. Werner 1979,97.

151. Werner 1971,248 (orig. kursiv).

152. Werner 1971,249.

153. Werner 1979,119.

154. Werner 1968,72.

155. Jetter 1978.

156. Volp 1995,501.

157. Z.B. Marx 1995 (Philosophie/ Ästhetik).

158. Neddens 1987,24.

159. Neddens 1987,55.

160. Neddens 1987,59.

161. Soeffner 1996,131.

162. Soeffner 1996,132.

163. Lessenich 1991,22.

164. Schwäbisch-Gmünd 1991, vgl. Daiber 1991.

165. Auch innerhalb der Theologie regen sich unterschiedliche Stimmen: Manfred Josuttis (Josuttis 1991) betont die Funktion des bestimmten, gar unbefangen »heilig« genannte Ortes. In seiner verhaltenswissenschaftlichen Beschreibung kommt dem Ort des Verhaltens eine wesentliche Rolle zu. Josuttis bespricht Regeln, "die den Bestand des heiligen Ortes konstituieren" [67]. Dazu macht er geltend, was "weltweit zu beobachten ist" [68], und staunt: Die Grundmuster "kommen offensichtlich auch dort zur Anwendung, wo man, wie im modernen Protestantismus, in der Theologie keine heiligen Orte mehr kennt" [68]. Wenn, wie in der funktional bestimmten "Desymbolisierung" [75] geschehen, "der Raum die Gegenwart des Göttlichen [...] nicht mehr repräsentiert, wachsen die Aufgaben für die liturgische Handlung und die homiletische Praxis auf der anderen Seite beträchtlich" [76].

166. Kallmeyer 1996,5.

167. Rombold 1989,18.

168. Vgl. zum Thema auch Hermann Timms "religiöse Stadt-Anthropologie nach dem Vorbild Bethel" (Timm 1996,64).

169. Duden 1989,1284.

170. Religionsphänomenologisch festgestellte Übereinstimmungen wie Symmetrie oder Harmonie (Marx 1995,37) finden sich auch bei »profanen« Gebäuden.

171. EKD 1979.

172. Beispielsweise vor kurzem anläßlich der Weihe einer Ikone in einer evangelischen Kirche (vgl. Auer/ Gräf/ Krummacher 1996).

173. WA 19,73-75 (Deutsche Messe 1526).

174. Daiber 1991,46.

175. Kirchenbau bezieht sich damit unmittelbar auf Fragen evangelischer Ekklesiologie.

176. Schwebel 1994,16.

177. Vgl. Rombold 1990,18.

178. Volp 1991,77 (orig. teilw. kursiv).

179. Daiber 1991,52.

180. Herms 1991,484.

181. Poscharsky 1969,51.

EinführungSakral-KritikMehrzweckraumforderungVerteidigung des Sakralenneue Empirieneuere Kirchenbaudebatteaufgeklärter SakralbegriffSchluss