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Die geöffnete Kirche: evangelische Theologie Autor: gs

Warum evangelische Kirchen traditionell nicht offen waren

Zu den grundlegenden Einsichten der Reformation gehörte die Abschaffung der Sakralisierung irgendeiner irdischen Gegebenheit. Gott verbindet sich zwar mit der Welt, aber er ist nicht an bestimmte Orte und Personen gebunden. Gott ist da, wo er wirkt: wo sein Wort laut wird, wo Christen und Christinnen beieinander sind, wo er in einzelnen wirkt.

Den geweihten Raum der römisch-katholischen Kirche sah man als Missverständnis ebenso wie alle mit dem geweihten Raum verbundenen Pflichten. In Abgrenzung zur katholischen Konfession blieben die protestantischen Kirchen bewusst zu. Sie dienten der gottesdienstlichen Versammlung und sonst nichts, denn für den Glauben im Alltag bedarf es keines besonderen Raumes.

Warum immer mehr evangelische Kirchen auch außerhalb der Gottesdienste geöffnet werden

In den letzten Jahren wuchs die theologische Entwurzelung der Menschen. Das traditionelle Haus des Glaubens, gebaut auf die biblische Schrift und die kirchliche Leere, ist vielen fremd und fragwürdig geworden. In den Häusern und Familien sind geistliche Orte seltener geworden.
Dazu kommt, dass Menschen Gott auch mit anderen Sinnen suchen über das hinaus, was in Worten gesagt werden kann. Dabei erleben sie den Kirchenraum als einen Raum, der für die Glaubenserfahrung öffnet. Der Kirchenraum ist nicht ein Ort, den Gott braucht um den Menschen zu begegnen, sondern ein Ort, der dem Menschen hilft Gott zu begegnen.

Diesen Argumentationsgang kann auch die protestantische Theologie würdigen. Die im 20. Jahrhundert entstehende anthropologische und empirische Theologie fragt nach den Konstitutionsbedingungen des Glaubens. Dabei spielen die Kirchengebäude durchaus eine wichtige Rolle. Sie lassen Menschen anknüpfen am geschichtlichen Glauben, am Gottesdienst und an der in Kirchenräumen symbolisch und bildlich lesbaren Botschaft des Glaubens. So helfen sie zur Begegnung mit Gott. Ausdrücklich wird dies durch die aufgeschlagene Bibel, das Angebot bibelschriftlicher Materialien, Andachten und die Einladung auch Gottesdienste zu besuchen.

Kirchenöffnung: theologisch kein Muss, aber eine Chance

Aus evangelisch-theologischer Sicht ist es nicht nötig, Kirchenräume zu öffnen, so wenig sie für den Glauben überhaupt notwendig sind.
Aber geöffnete Kirchenräume müssen von dieser Einsicht nicht ablenken, sondern können zu ihr hinführen, indem sie helfen, Menschen den Glauben zu vermitteln. Geöffnete Kirchen sind eine Chance.

Die kritische Funktion der evangelischen Theologie gegenüber der geöffneten Kirche

Die hier skizzierte Argumentation gleicht dem Umgang mit der theologischen Alternative zwischen christlichem Glauben und Religion. Die Diskussion um den Kirchenraum hat sich parallel zu dieser theologischen Diskussion entwickelt. Zugespitzt evangelisch-theologisch ist christlicher Glaube nicht Religion, da er nicht von der Bewegung des Menschen zu Gott hin, sondern von der Bewegung Gottes zu den Menschen ausgeht. Diese Einsicht hat zur Ablehnung alles Religiösen geführt (pronounciert bei Karl Barth).

Inzwischen würdigt die evangelische Theologie das religiöse Streben des Menschen in seiner Bedeutung als menschliche Entsprechung zum Glauben von Gott. Auch der christliche Glaube hat eine religiöse Seite. Diesbezüglich gibt es auch viele Berührungspunkte der Religionen untereinander. Allerdings bleibt der evangelische Glaube religionskritisch, d.h. er weist dem religiösen Verhalten keine heilsentscheidende Funktion zu. Die kritische Kraft des Glaubens deckt auf, wo Religiosität das Vertrauen in die Gottheit Gottes abzuschwächen oder davon abzulenken droht. Diese kritische Kraft des Glaubens kommt nicht aus der Spiritualität, sondern aus der unmittelbaren Gegenwart des Heiligen Geistes und aus dem Wort Gottes.

Auf den Kirchenraum übertragen muss die evangelische Theologie dort kritisch intervenieren, wo man meint, die geöffnete Kirche könne den Gottesdienst und die Wortverkündigung ersetzen. Das geschieht auch dort, wo sich alle Kräfte einer Gemeinde um den Raum und andere Äußerlichkeiten sammeln und Predigt und Gebet vernachlässigt oder delegiert werden. Das Thema Kirchenraum darf nicht willkommener Ersatz für ein Vakuum in Sachen Gottvertrauen und Klarheit des Glaubens sein.

Vielmehr hat die evangelische Theologie die geöffnete Kirche so begleiten, dass dort die Verkündigung des Wortes Gottes und die Einladung zum Gottesdienst als inneres Ziel des Projekts genommen wird. Verschiedenste Methoden bieten sich dafür an.


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